Carre, John le
die
Wahrheit gesagt und bessere Chancen hätten, den Film zurückzubekommen.«
Noch immer
war auf der Straße draußen kein Verkehr. Avery merkte, daß er hungrig war.
Leclerc schaute auf die Uhr.
»Sie haben
sich gerade Gortons Bericht angesehen«, sagte Avery.
Während
Leclerc nachdenklich einen der Ordner berührte, als habe er sein
Lieblingsalbum entdeckt, schüttelte er den Kopf. »Es ist nichts dran. Ich hab
es wieder und wieder durchgelesen, und die Fotos zu jeder nur denkbaren Größe
entwickeln lassen. Haldanes Leute haben Tag und Nacht darüber gesessen. Wir
kommen einfach keinen Schritt weiter.« Sarah hatte recht gehabt: er war nur
hier, ihm warten zu helfen.
Dann
schien plötzlich der Zweck ihrer Besprechung sichtbar zu werden, als Leclerc
sagte: »Ich habe es arrangiert, daß Sie heute vormittag nach unserer Konferenz
ein kurzes Gespräch mit George Smiley im Rondell haben können. - Sie haben
schon von ihm gehört?«
»Nein«,
log Avery. Bei diesem Thema mußte man vorsichtig sein.
»Er war
einmal einer ihrer besten Leute. Er ist in gewisser Weise typisch für die
bessere Sorte im Rondell. Er scheidet dort immer wieder mal aus, wissen Sie,
kommt dann aber wieder zurück. Er macht sich Gewissensbisse. Man kann nie
sicher sein, ob er gerade dort ist oder nicht. Er paßt dort nicht mehr ganz
hinein. Es heißt, er trinke ziemlich viel. Er hat dort die Abteilung für
Nordeuropa. Er kann Sie instruieren, wie Sie den Film weiterzugeben haben. Seit
wir unseren eigenen Kurierdienst aufgelöst haben, und da uns das AA nicht
kennen will, gibt es keine andere Möglichkeit. Nach dem Tod Taylors kann ich es
nicht zulassen, daß Sie mit diesem Dings in der Tasche herumlaufen. Wieviel
wissen Sie über das Rondell?« Es war, als erkundige sich ein älterer Herr ohne
nennenswerte Erfahrung vorsichtig danach, wo er leichte Mädchen finden könne.
»Nicht
viel«, sagte Avery. »Nur das übliche Geschwätz.«
Leclerc
stand auf und ging zum Fenster hinüber. »Es ist ein seltsamer Verein. Einige sind
gut, natürlich. Smiley war gut.« Plötzlich brach es aus ihm hervor: »Aber sie
sind Betrüger. - Ich weiß: ein komisches Wort, für eine verwandte Organisation,
John. Aber das Lügen ist denen zur zweiten Natur geworden. Die meisten von
ihnen wissen nicht einmal mehr, wann sie die Wahrheit sagen.«
Er neigte
den Kopf von einer Seite auf die andere und beobachtete sorgfältig jede
Bewegung auf der langsam erwachenden Straße. »Was für ein scheußliches
Wetter«, murmelte er schließlich. »Im Krieg waren wir ziemlich eifersüchtig
aufeinander, wissen Sie.«
»Davon
hörte ich.«
»Das ist
jetzt vorbei. Ich beneide sie nicht um ihre Arbeit. Sie haben mehr Geld und
mehr Leute als wir. Sie arbeiten im größeren Stil - ob jedoch auch besser,
möchte ich freilich bezweifeln. An unsere Auswertungsabteilung zum Beispiel
kommt nichts auch nur annähernd heran. Nichts.«
Plötzlich
hatte Avery das Gefühl, daß ihm Leclerc ein persönliches Geheimnis enthüllt
hatte, etwas wie eine zerrüttete Ehe oder eine unwürdige Handlung, und daß er
dadurch erleichtert war. »Smiley wird Sie vielleicht nach Einzelheiten dieses
Unternehmens fragen, wenn Sie bei ihm sind. Ich möchte, daß Sie ihm aber auch
nicht das geringste erzählen, außer, daß Sie nach Finnland fahren und womöglich
in die Situation kommen könnten, einen Film auf dem schnellsten Weg nach London
schicken zu müssen. Wenn er Sie bedrängt, lassen Sie durchblicken, daß es eine
Übung sei. Mehr dürfen Sie nicht verraten. Nichts vom bisher Vorgefallenen, von
Gortons Bericht oder künftigen Aktionen. All das geht diese Leute nicht das
geringste an. Es ist einfach ein Schulungskurs.«
»Das ist
mir klar. Er wird doch aber von Taylor wissen - oder nicht? -, wenn das AA
informiert ist.«
Ȇberlassen
Sie das mir. Und lassen Sie sich nicht den falschen Glauben aufschwatzen, daß
man im Rondell ein Monopol darauf habe, Agentengruppen unterhalten zu dürfen.
Wir haben das gleiche Recht. Wir üben es nur nicht unnötig aus.« Er hatte in
seine Rolle zurückgefunden.
Avery
betrachtete Leclercs schmalen Rücken, der sich als schwarze Silhouette vor dem
heller werdenden Himmel draußen abhob. Ein Ausgestoßener, ein Mann ohne
Ausweis, dachte er.
»Könnten
wir nicht das Feuer anmachen?« fragte er. Er ging auf den Gang hinaus, wo Pine
in einem Regal neben Besen und Bürsten Späne und alte Zeitungen aufbewahrte. Er
kam zurück und kniete sich vor den Kamin, in dem
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