Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
Vom Netzwerk:
zurückzurasen, trotz heftiger Gegenwehr eine Murmel an sich zu
reißen und keuchend wieder an der Senke einzutreffen. Dort zögerte er, denn für
ihn war die Senke bereits Jims Revier, und Roach würde es nicht ohne Erlaubnis
betreten. Aber Jim war im Wohnwagen verschwunden, also stieg Roach nach einer
Weile zaghaft den Abhang hinunter und reichte die Murmel durch die Tür hinein.
Jim sah ihn nicht sofort. Er nippte an seinem Becher und starrte durchs Fenster
auf die schwarzen Wolken, die in allen Richtungen über die Quantocks jagten. Dieses
Nippen war, wie Roach feststellte, eine schwierige Sache, denn Jim konnte nicht
einfach aufrechtstehend schlucken, er mußte den ganzen entstellten Rumpf nach
hinten kippen, um den richtigen Winkel zu erzielen. Inzwischen war der Regen
wieder heftiger geworden, er prasselte wie Hagel auf den Wohnwagen. »Sir«,
sagte Roach, aber Jim bewegte sich nicht. »Nix wie Scherereien mit einem Alvis,
hat praktisch keine Federung«, sagte Jim endlich, mehr zum Fenster als zu
seinem Besucher. »Man fährt praktisch mit dem Hintern auf der Straße, was?
Haut jeden zum Krüppel.« Und kippte den Rumpf zurück und trank. »Ja, Sir«,
sagte Roach und wunderte sich, daß Jim anzunehmen schien, er könne Auto
fahren.
    Jim hatte
den Hut abgenommen. Das sandfarbene Haar war kurz gestutzt, stellenweise mußte
die Schere zu tief hineingeraten sein. Diese Stellen waren fast sämtlich auf
einer Seite, und Roach schloß daraus, daß Jim sich das Haar selber geschnitten
hatte mit seinem heilen Arm, wodurch er noch einseitiger wirkte. »Ich bringe
Ihnen eine Murmel«, sagte Roach. »Sehr nett von dir. Danke alter Junge.« Jim
nahm die Murmel und ließ sie langsam in seiner harten staubigen Handfläche
herumrollen, und Roach wußte sofort, daß er in allen möglichen Dingen sehr
geschickt sein mußte; daß er zu den Leuten gehörte, die mit Werkzeug und mit
Gegenständen im allgemeinen umzugehen wußten. »Nicht eben, siehst du, Bill«,
erklärte er, die Augen noch immer auf die Murmel geheftet. »Schlagseite. Wie
ich. Paß auf«, und wandte sich energisch zum größeren Fenster. Ein Stück
Aluminiumrinne lief an der Unterseite entlang, die das Kondensationswasser
auffangen sollte. Jim legte die Murmel hinein und sah zu, wie sie ans andere
Ende rollte und auf den Boden fiel. »Uneben«, wiederholte er. »Hecklastig. So
geht's nicht, wie? He, he, wo bist du denn hin, du kleines Biest?«
    Der
Wohnwagen war nicht besonders wohnlich, stellte Roach fest, während er sich
bückte, um die Murmel zu suchen. Er hätte irgend jemandem gehören können, war
allerdings peinlich sauber. Eine Koje, ein Küchenhocker, ein Gaskocher, eine
Propangasflasche. Nicht einmal ein Bild seiner Frau, dachte Roach, der außer
Mr. Thursgood noch nie einem Junggesellen begegnet war. An persönlichen
Gegenständen entdeckte er lediglich einen Werkzeugbeutel aus Sackleinen, der
an der Tür hing, einiges Nähzeug, das neben der Koje verwahrt war und eine
selbstfabrizierte Dusche, bestehend aus einer durchlöcherten und säuberlich am
Dach festgelöteten Keksdose. Und auf dem Tisch eine Flasche, die ein farbloses
Getränk enthielt, Gin oder Wodka, dachte Roach, denn das trank sein Vater, wenn
er in den Ferien die Wochenenden bei ihm verbrachte.
    »Ost-West
scheint okay, aber Nord-Süd hängt ganz eindeutig«,
    erklärte
Jim nach einem Test an der anderen Fensterrinne. »In was bist du besonders gut,
Bill?«
    »Ich weiß
nicht, Sir«, sagte Roach hölzern.
    »In
irgendwas bist du bestimmt gut, das ist jeder. Wie steht's mit Fußball? Bist du
gut in Fußball?«
    »Nein,
Sir«, sagte Roach.
    »Bist du
am Ende ein Stubenhocker?« fragte Jim zerstreut, ließ sich mit einem kurzen
Grunzton aufs Bett nieder und nahm einen Schluck aus dem Becher. »Aber du
siehst mir wirklich nicht aus wie ein Stubenhocker«, fügte er höflich hinzu.
»Obwohl du ein Einzelgänger bist.«
    »Ich weiß
nicht«, wiederholte Roach und schob sich einen halben Schritt auf die offene
Tür zu.
    »Also, was
ist dann deine starke Seite?« Er tat wiederum einen langen Zug. »In irgendwas mußt
du gut sein, ist jeder. Meine starke Seite war Steine übers Wasser hüpfen
lassen.« Nun war das eine besonders unglückliche Frage, denn sie beschäftigte
Roach ohnehin fast den ganzen Tag. Ja, in letzter Zeit bezweifelte er sogar, ob
er überhaupt irgendeinen Daseinszweck hatte. Bei Arbeit und Spiel fand er sich
bedenklich ungenügend; sogar die kleinen Alltagspflichten in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher