Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
Vom Netzwerk:
»Willy Andrewartha war schon immer der gottverdammteste
Lügner«, überlegte Martindale gänzlich ungerührt. »Ich sagte genau das gleiche
zu ihm: purster Unsinn, Willy, Sie sollten sich schämen.« Und nahtlos weiter,
als hätte er niemals in Gedanken oder Worten diese alberne Annahme geteilt:
»Der Tschechen-Skandal, der war wohl der letzte Nagel zu Controls Sarg. Der
arme Kerl, der in den Rücken geschossen wurde und in die Zeitungen kam, und
der angeblich immer so dick mit Bill Haydon war. Ellis mußten wir
ihn nennen, und so nennen wir ihn noch, nicht wahr, auch wenn wir seinen
wirklichen Namen so gut kennen wie unsern eigenen.«
    Listig
wartete Martindale, daß Smiley seinen Trumpf daraufsetzte: Aber Smiley war
nicht gesonnen, auf irgend etwas irgendeinen Trumpf zu setzen, also versuchte
Martindale eine dritte Tour: »Irgendwie finde ich Percy Alleline als Chef nicht
recht glaubhaft, Sie etwa? Ist es das Alter, George, oder nur mein angeborener
Zynismus? Sagen Sie's mir, Sie sind ein so guter Menschenkenner. Ich glaube,
Macht paßt einfach nicht zu Leuten, mit denen man aufgewachsen ist. Könnte das
die Lösung sein? Es gibt so wenige, die mir heutzutage noch imponieren können,
und der arme Percy ist ein so durchsichtiger Mensch,
finde ich immer, vor allem nach diesem Reptil, Control. Diese ganze kernige
Kumpanei, wie kann man so jemanden ernst nehmen? Man muß sich nur an ihn erinnern,
wie er in den alten Tagen an der Bar im Travellers lungerte,
an seiner Stummelpfeife nuckelte und den großen Tieren Drinks spendierte: also,
wenn einer schon intrigieren muß, sollte er's raffinierter anfangen, meinen Sie
nicht auch? Oder finden Sie, daß der Erfolg die Mittel heiligt? Was ist sein
Trick, George, sein Geheimrezept?« Er sprach mit höchster Eindringlichkeit,
beugte sich mit gierigen und erregten Augen über den Tisch. Nur Essen konnte
ihn normalerweise in solche Erregung versetzen. »Sich mit den Fähigkeiten
seiner Untergebenen schmücken, das ist wohl heutzutage das Führungsprinzip.«
    »Wirklich,
Roddy, ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Smiley matt. »Ich habe Percy nie als
Größe gekannt. Nur als -« Er fand das Wort nicht mehr.
    »Als
Gernegroß«, half Martindale mit glitzernden Augen aus, »immer mit einem Auge
auf Controls Purpurkleid, Tag und Nacht. Jetzt trägt er es, und der Mob liebt
ihn. Wer ist also sein starker linker Arm, George? Wer verdient ihm seine
Lorbeeren? Er macht sich fabelhaft, hört man von allen Seiten. Kleine Lesesäle
in der Admiralität, kleine Ausschüsse mit komischen Namen schießen aus dem
Boden, roter Teppich für Percy in allen Whitehall-Korridoren, die sein Fuß
betritt, jüngere Mitarbeiter werden von oberster Stelle beglückwünscht, Leute,
von denen man nie gehört hat, kriegen Orden für nichts und wieder nichts. Ich
hab' das alles schon mal gesehen, wissen Sie.«
    »Roddy,
ich kann Ihnen nicht helfen«, wiederholte Smiley und schickte sich an,
aufzustehen. »Sie überfordern mich, ehrlich.« Aber Martindale zwang ihn, sitzen
zu bleiben, hielt ihn mit einer feuchten Hand am Tisch fest, während er noch
schneller auf ihn einsprach.
    »Also wer
ist der Pfiffikus? Percy nicht, das steht fest. Und sagen Sie nicht, die
Amerikaner vertrauten uns auf einmal wieder.« Der Griff wurde härter. »Das
kluge Kind Bill Haydon: unser moderner Lawrence von Arabien. Genau, Bill ist
es, Ihr alter Rivale.« Martindales Zunge streckte wiederum den Kopf heraus,
erkundete das Terrain und zog sich zurück, wobei sie eine kleine Schneckenspur
hinterließ. »Ich habe gehört, Sie und Billy hätten einst alles miteinander
geteilt«, sagte er. »Orthodox war er ja nie, was? Genies sind das niemals.«
    »Noch
einen Wunsch, Mr. Smiley?« fragte der Kellner. »Oder Bland: der letzte
Strohhalm der Nation, der Akademiker aus der Proleten-Presse.« Noch immer
wollte er nicht lockerlassen. »Und wenn diese beiden nicht den Laden schmeißen,
dann ist es jemand im Ruhestand, wie? Ich meine, jemand, der angeblich im
Ruhestand ist, ja? Und wenn Control tot ist, wer bleibt dann noch übrig? Außer
Ihnen?«
    Sie zogen
ihre Mäntel an. Der Garderobier war schon heimgegangen, sie mußten sich selber
von den braunen Ständern bedienen.
    »Roy Bland
ist nicht aus der Proleten-Presse«, sagte Smiley laut. »Er war am St. Anthony's
College in Oxford, wenn Sie's genau wissen wollen.«
    Gott sei
mir gnädig, etwas Besseres ist mir nicht eingefallen, dachte Smiley.
    »Seien Sie
doch nicht albern, mein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher