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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Sein
Schritt war aus irgendeinem Grund unsicher und wäre Jim Prideaux aus dem
Schatten auferstanden und hätte ihn gefragt, ob er Freunde habe, hätte er wahrscheinlich
geantwortet, ein Taxi wäre ihm lieber. »Ein Schwätzer, dieser Roddy«, brabbelte
er vor sich hin, als ein neuerlicher Wasserschwall gegen seine ausladenden
Backen klatschte und dann in sein durchweichtes Hemd rann. »Warum bin ich nicht
einfach aufgestanden und gegangen?« Zerknirscht rief Smiley sich noch einmal
die Gründe für sein augenblickliches Elend in den Sinn und kam mit einer vom demütigen
Teil seines Charakters untrennbaren Sachlichkeit zu dem Schluß, daß er sie
ausschließlich selber geliefert hatte.
    Es war von
Anfang an ein vertrackter Tag gewesen. Er war zu spät aufgestanden, nachdem er
am Vortag bis spät in die Nacht hinein gearbeitet hatte, eine Gewohnheit, die
sich trotz seines hartnäckigen Widerstands eingenistet hatte, seit er im Jahr
zuvor aus dem Dienst ausgeschieden war. Dann hatte er entdeckt, daß ihm der
Kaffee ausgegangen war, und sich im Laden angestellt, bis ihm auch die Geduld
ausging und er hochgemut beschloß, sich der Regelung seiner geschäftlichen
Angelegenheiten zu widmen. Sein Bankauszug, der mit der Morgenpost gekommen
war, hatte ihm gezeigt, daß seine Frau den Löwenanteil seiner monatlichen
Pension abgehoben hatte: Na schön, entschied er, dann würde er irgend etwas
verkaufen. Die Reaktion war unsinnig, denn er stand sich recht gut, und die
obskure City-Bank, auf die seine Pension überwiesen wurde, zahlte sie ihm
regelmäßig aus. Dennoch verpackte er eine frühe Grimmelshausen-Ausgabe, einen
bescheidenen Schatz aus den Oxforder Jahren, und machte sich feierlich auf den Weg
zu Heywood Hills Buchhandlung in der Curzon Street, wo er mit dem Inhaber dann
und wann freundschaftliche Gelegenheitskäufe ausfeilschte. Unterwegs steigerte
er sich noch mehr in seinen Unmut hinein und traf von einer Telefonzelle aus
eine Verabredung mit seinem Anwalt für den Nachmittag.
    »George,
wie können Sie so vulgär sein? Von Ann läßt man sich nicht scheiden. Schicken
Sie ihr ein paar Blumen nach und kommen Sie zum Lunch.«
    Dieser Rat
richtete ihn auf, und frohen Herzens näherte er sich Heywood Hill, nur um Roddy
Martindale, der vom wöchentlichen Haarschnitt kam, geradewegs in die Arme zu
laufen. Martindale hatte keinen legitimen Anspruch auf Smiley, weder beruflich
noch gesellschaftlich. Er arbeitete auf der nahrhaften Seite des Foreign
Office, und seine Aufgabe bestand darin, auswärtige Würdenträger
zum Lunch zu führen, die kein Mensch sonst auch nur in seinen Holzschuppen
eingeladen hätte. Er war ein flatterhafter Junggeselle mit grauer Mähne und
jener Behendigkeit, wie sie nur Dicke haben. Er hatte ein Faible für Knopflochblumen
und zartfarbene Anzüge, und er machte sich unter fadenscheinigsten Begründungen
einer intimen Vertrautheit mit den großen rückwärtigen Räumen von Whitehall
anheischig. Vor ein paar Jahren, kurz vor ihrer Auflösung, hatte er eine untergeordnete
Whitehall-Gruppe zur Koordinierung von Nachrichten seiner Mitwirkung gewürdigt.
Während des Krieges war er dank einer gewissen mathematischen Begabung in die
Randbereiche der Geheimwelt eingedrungen; und einmal hatte er, wie er zu berichten
nie müde wurde, zusammen mit John Landsbury vom Circus an einer höchst
delikaten Chiffriersache gearbeitet. Aber der Krieg lag, wie Smiley sich
zuweilen selber in Erinnerung rufen mußte, dreißig Jahre zurück. »Hallo Roddy«,
sagte Smiley. »Nett, Sie zu sehen.« Martindale sprach mit jenem dröhnenden
Von-Mann-zu-Mann-Ton der Oberklasse, der Smiley bei Urlaubsaufenthalten im Ausland
mehr als einmal aus seinem Hotel vertrieben hatte: »Mein lieber Junge, wenn das
nicht der Maestro persönlich ist! Mir hat man gesagt, sie säßen bei den Mönchen
in St. Gallen oder sonstwo und schwitzten über alten Handschriften! Gestehen
Sie auf der Stelle. Ich will genau wissen, was Sie treiben, jede kleinste
Einzelheit. Geht es Ihnen gut? Lieben Sie England noch immer? Was macht die
entzückende Ann?« - sein unsteter Blick flackerte die Straße auf und ab, ehe er
auf dem eingewickelten Grimmeishausen unter Smileys Arm zur Ruhe kam - »eins zu
hundert, daß das ein Geschenk für sie ist. Hab' schon gehört, daß Sie sie maßlos
verwöhnen.« Er senkte die Stimme zu vernehmlichem Flüstern: »Hören Sie, Sie
sind doch nicht wieder auf Kriegspfad? Sollte das alles nur Tarnung sein,
George, nur
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