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Caravan

Titel: Caravan
Autoren: dtv
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eindeutig
     keine Einladung zum Tee. Dann musterte er mich genauso unhöflich wie Vulk vorher, als wäre ich ein Pferd, das er gekauft hatte.
     Am Ende tuschelte er mit Vulk, ich verstand nichts davon, und sie tauschten Briefumschläge aus.
    »Auf Wiedersehen, kleinerr Blume«, sagte Vulk mit seinem öligen Lächeln. »Wir sehen wieder, vielleicht wir mache Chance?«
    »Vielleicht.«
    Ich wusste, dass das die falsche Antwort war, aber ich wollte nur noch weg von ihm.
    Der Bauer schob meine Tasche in seinen Landrover, und |18| dann schubste er mich hinterher und betatschte dabei meinen Hintern, was ziemlich überflüssig war. Er hätte nur etwas sagen
     müssen, dann wäre ich von selbst eingestiegen.
    »Ich bringe dich direkt aufs Feld«, sagte er, als wir über eine schmale, kurvige Landstraße rumpelten. »Du kannst gleich nachher
     mit dem Pflücken anfangen.«
    Nach etwa fünf Kilometern bremste er, dann fuhren wir durch ein Tor, und ich spürte eine Woge der Erleichterung, als ich ausstieg
     und endlich festen Boden unter den Füßen hatte. Das Erste, was mir auffiel, war das Licht – gleißendes, salziges Licht, das
     auf dem sonnigen Feld tanzte, auf die reifen Erdbeeren schien, den kleinen runden Wohnwagen oben auf dem Hügel und den langen
     kastenförmigen Wohnwagen unten, den Wald im Hintergrund und den geschwungenen Horizont, und ich lächelte. Das also ist England.
     
    Der Männerwohnwagen ist ein feststehendes Modell, ein ramponierter alter Fiberglaskasten, der unten am Fuß des Felds beim
     Tor aufgebockt ist, in der Nähe des Containerhauses, wo jeden Abend die Erdbeeren gewogen und auf Paletten gepackt werden.
     In einer Ecke des Containerhauses ist das Klo und der Duschraum – allerdings funktioniert die Dusche nicht und das Klo ist
     nachts abgeschlossen. Warum ist es abgeschlossen?, fragt sich Andrij. Was ist das Problem, wenn einer nachts aufs Klo geht?
    Er ist früh aufgewacht, mit einer vollen Blase und einem vagen Gefühl von Unzufriedenheit mit sich selbst, seinen Wohnwagengenossen
     und dem Wohnwagenleben im Allgemeinen. Wie kommt es zum Beispiel, dass es im Männerwohnwagen enger ist als im Frauenwohnwagen,
     obwohl er größer ist? Es gibt zwei Räume, einen zum Schlafen und einen zum Wohnen, aber Tomasz hat das Doppelbett im |19| Schlafzimmer für sich allein, und die drei anderen schlafen im Wohnzimmer. Wie ist es dazu gekommen? Andrij schläft auf einer
     der Sitzbänke und Vitali auf der anderen. Emanuel hat sich aus einem alten Laken und blauer Ballenschnur, die er kunstvoll
     verknotet hat, eine Hängematte gemacht und sie von einer Ecke zur anderen quer im Raum aufgehängt – da oben liegt er und atmet
     tief mit geschlossenen Augen und einem engelsgleichen Lächeln auf seinem runden braunen Gesicht.
    Andrij erinnert sich an Emanuels überraschtes und entsetztes Gesicht, als der Bauer vorschlug, Emanuel sollte sich mit Tomasz
     das Doppelbett teilen.
    »Sir, wir haben ein Sprichwort auf Chichewa. Ein Nasenloch ist zu klein für zwei Finger.«
    Später hat er Andrij beiseite genommen und geflüstert: »In meinem Land ist Homosexualisierung verboten.«
    »Alles okay«, flüsterte Andrij zurück. »Kein Homosex, nur Stinkfüße.«
    Ja, Tomasz’ Turnschuhe sind noch so eine Unverschämtheit – der Gestank verpestet den ganzen Wohnwagen. Am schlimmsten ist
     es nachts, wenn sie nicht an seinen Füßen sind, sondern unterm Bett stehen. Dann steigen die Dämpfe auf, giftig und klebrig,
     verbreiten sich wie schlechte Träume, kriechen unter dem Vorhang durch, der Schlafen von Wohnen trennt, und schweben wie ein
     böser Geist unter der Wohnwagendecke. Manchmal rollt Emanuel sich mitten in der Nacht leise aus der Hängematte und stellt
     die Turnschuhe raus auf die Treppe.
    Und noch was – warum haben sie im Männerwohnwagen keine Bilder an der Wand? Vitali hat ein Foto von Katie Price unter dem
     Bett, das er aufhängt, sagt er, sobald er was findet, womit er es aufhängen kann. Er hat auch einen geheimen Vorrat an Dosenbier
     und ein Fernglas. Tomasz hat eine |20| Gitarre und eine Unterhose von Jola unter dem Bett. Emanuel hat eine Tasche voll mit zerknitterten Papieren.
    Aber was Andrij am meisten ärgert, ist, dass man wegen dem Hügel und der Position ihres Wohnwagens den Frauenwohnwagen nur
     von dem Fenster über Tomasz’ Bett sehen kann. Soll er Tomasz bitten, ein Stück zur Seite zu rücken, damit er mal gucken kann,
     ob das Mädchen noch da ist? Nein. Dann würden die
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