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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie
Autoren: Aloys Winterling
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Rom eine offene Monarchie versucht, der die Aristokratie entwürdigt und gezeigt hatte, was in der kaiserlichen Gewalt steckte, mußte in diesen Verhältnissen sehr irritierend wirken. Viel angenehmer war dagegen die Aussage, daß ein Kaiser, der eine Monarchie anstrebt, ein geisteskranker Tyrann ist, der notwendigerweise und zu Recht ein grausames Ende findet. Daß Suetons Caligula-Biographie von den Zeitgenossen des zweiten Jahrhunderts genau dieser Sinn zugeschrieben wurde, zeigt das Schicksal, das einem Römer unter dem Kaiser Commodus widerfuhr und das gewisse Ähnlichkeiten mit dem des Ludwig Quidde knapp zweitausend Jahre später aufwies. Als der Sohn Marc Aurels mit neunzehn Jahren auf den Thron kam und gleich zu Beginn seiner Herrschaft mit einer Verschwörung seitens der Vornehmsten der Senatsaristokratie konfrontiert wurde, war es vorbei mit dem Arrangement. Gewalt und offene Alleinherrschaft bestimmten erneut die Gegenwart. Commodus, so wird berichtet, ließ jemand den wilden Tieren vorwerfen, weil dieser Suetons
Leben des Caligula
gelesen hatte.
    Auch Commodus wurde ermordet, und die Botschaft von Suetons Caligula-Biographie sicherte seinem Bild dieses Kaisers Plausibilität auch in den folgenden Jahrhunderten. In einer kurzgefaßten Kaisergeschichte aus dem späteren vierten Jahrhundert heißt es im Abschnitt über Caligula nach der Schilderung von Grausamkeit, Inzest und Selbstvergottung des Kaisers: «Vielleicht hätte es sich geziemt, dies nicht dem Gedächtnis zu überliefern. Aber es ist doch von Nutzen, alle Handlungen der Kaiser zu kennen, damit die Schlechten von ihnen wenigstens aus Furcht vor dem Ruf bei der Nachwelt dergleichen Taten vermeiden.»
(Epitome de Caesaribus
3, 6) Nicht mehr bekannt war dem Verfasser dagegen, daß die Monarchie, die Caligula angestrebt hatte, durchaus Ähnlichkeit mit dem Kaisertum seiner eigenen Gegenwart aufwies: Seit Diokletian (284–305) und Konstantin (324–337) traten die Kaiser im Edelsteinornat auf, wurden von der Aristokratie in einem komplizierten Zeremoniell mit Proskynese und Kuß des kaiserlichen Purpurgewandes kultisch verehrt und – sie hatten Rom verlassen, sich der dortigen senatorischen Gesellschaft entzogen und in Konstantinopel einen neuen Herrschaftssitz errichtet.
    Bis dahin war es allerdings noch ein langer Weg, der nach der Ruhe des zweiten durch die Wirren des dritten Jahrhunderts führte. Wie ging es weiter im Rom des Jahres 41? Wie verhielt sich Claudius, der – ähnlich wie Caligula – nach Jahren der eigenen Unterdrückung und Gefährdung plötzlich römischer Kaiser wurde? Seine ersten Maßnahmen entsprachen ziemlich exakt den Anfängen seines verhaßten Neffen vor vier Jahren, sein Verhalten gegenüber dem toten Caligula der Art, wie jener mit Tiberius umgegangen war. Wiederum sollte ein Strich unter die Vergangenheit gezogen werden. Noch im Prätorianerlager versprach Claudius den Senatoren, seine Herrschaft mit ihnen teilen zu wollen. Für die Zukunft verbot er Majestätsprozesse und rief die unter Caligula Verbannten nach Rom zurück. Die meisten Maßnahmen Caligulas aus dem letzten Jahr wurden aufgehoben, die Proskynese vor dem Kaiser und Opfer für ihn verboten. Die Mitglieder der alten Nobilitätsfamilien durften ihre Ehrenzeichen wieder tragen, eine
damnatio memoriae,
die Tilgung des Vorgängers aus dem öffentlichen Gedächtnis, verhinderte der Nachfolger aber auch diesmal. Nur seine Bildnisse wurden aus der Stadt entfernt. Später durfte der Senat auch beschließen, Münzen mit dem Bild des Ermordeten einzuschmelzen. Für die Stunden zwischen altem und neuem Kaiser wurde eine Amnestie für Worte und Taten erlassen. Den aristokratischen Kreis um den Kaiser bildeten weitgehend dieselben Personen wie unter Caligula: Marcus Vinicius, Valerius Asiaticus und Passienus Crispus wurde in den folgenden Jahren die besondere Ehre eines zweiten, Lucius Vitellius sogar die eines dritten Konsulates zuteil.
    Man wird nicht überrascht sein, daß all das auch diesmalnichts nützte. Nach knapp einem Jahr fand die erste Verschwörung gegen Claudius statt, die nach dem Muster der großen Verschwörung Mitte 39 ablief. Annius Vinicianus in Rom und der Statthalter von Dalmatien, Arruntius Camillus Scribonianus, waren diesmal die Zentralfiguren. Wiederum waren größere Kreise der Senatsaristokratie in Rom beteiligt. Die Erhebung scheiterte an den einfachen Soldaten, die sich weigerten, in den Bürgerkrieg zu ziehen. Aber der neue Kaiser, bei
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