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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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ist, daß Porsenna es tatsächlich auch gleich hatte. Aber da kennen Sie erstens ganz allgemein die Dichter schlecht, wenn Sie glauben, sie würden etwas in zwei Zeilen sagen, was man genau so gut in zwanzig Seiten beschreiben kann. Und zweitens sind Sie auf dem Holzwege, wenn Sie annehmen, die römischen frischgebackenen Republikaner hätten hier nicht märchenhafte Heldentaten vollbracht!
    So entstand, zuerst bewußt als politische Lüge lanciert und dann geglaubt, ein Gemisch aus Sage und Historie. Die Mütter raunten es den Töchtern zu, die Hauslehrer lehrten es die Knaben, und die Kinder spielten es auf den Straßen.
    Die Sage läßt Porsenna nicht weiter als bis auf die Tiberbrücke gelangen. Dort steht Herr Horatius Cocles, mutterseelenallein wie Kara Ben Nemsi Effendi in seinen besten Zeiten und erwartet, Schwert in der Faust, das Heer der Etrusker.
    Hier bekommt nun Rom endlich auch seine Thermopylen! Ja, was sage ich: Leonidas fiel, Horatius Cocles Effendi aber steht! Und das dazu noch als Sichtbehinderter. Denn Cocles heißt »der Einäugige«.
    Wieviel Leute hatte der Grieche? Tausend? Horatius Cocles hat niemand, nicht einmal einen Hadschi Halef Omar. So kämpft er gegen ein ganzes Heer und hält die Stellung, bis die Römer in seinem Rücken die Brücke abgebrochen und damit den Übergang unmöglich gemacht haben, was sie vorher dummerweise vergessen hatten.
    Hinter dem Rücken von Horatius Cocles gähnt ein Loch; wie kommt er nun zurück zu den Seinen?
    Früher konnte ich es mir nicht vorstellen; seit ich Karl May gelesen habe, erkläre ich es mir ganz einfach: Er wandte »das Geheimnis« an. Er legte die hohlen Hände an seine Ohren und flüsterte sich die einunddreißigste Sure zu. Dann wieherte er freudig auf und setzte mit einem Riesensprung über den Abgrund ans Ufer. Sprachlos sahen es die überlebenden Etrusker. Sehr, sehr nachdenklich kehrten sie für heute in ihr Lager zurück.
    Aber der nächste Tag brachte nichts Besseres. Ahnungslos saß Porsenna beim Frühstück, indessen sein Sekretär gerade im Studio nebenan den Schreibtisch abstaubte und die Morgenpost ordnete, als es passierte: die Zeltbahn zum Studio teilte sich und ein Mann trat ein, den der Sekretär noch nie gesehen hatte. Dieser Mann hatte einen leuchtenden Blick im grundehrlichen, anständigen Gesicht, woraus der Sekretär schloß, daß es sich um einen Menschen der einzig arbeitenden Klasse handeln müsse. Er pfiff ihn also hemmungslos an, woraus der Betroffene wiederum den Schluß zog, einen typischen König vor sich zu haben.
    Ein, zwei schnelle Sprünge, er zog das Messer und stieß zu. Der Sekretär fiel tot um.
    Anstatt nun gleich zu verschwinden, schaute sich der Mann offenbar noch ein bißchen um, und prompt wurde er entdeckt und überwältigt.
    Porsenna wollte sich gerade sein Schinken-mit-Ei vornehmen, da führte man ihm den Gefangenen vor. Bei der Aufnahme seiner Personalien stellte sich heraus, daß es sich um einen Römer namens Gaius Mucius handelte.
    Mucius gab auch stolz zu, daß ihm ein Malheur unterlaufen sei, sein Opfer sollte Porsenna sein. Dies alles bekannte er auf die Frage, die der König schillernd so formuliert hatte: »Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! Die Stadt vom Tyrannen befrein? Das sollst du am Kreuze bereun!«
    Eine Hohnlache schlug ihm entgegen. Und um zu zeigen, wie wenig sich ein Römer um eine solche Bagatelle wie das Ableben kümmere, trat Gaius Mucius zu dem Opferfeuer, das neben dem Frühstückstisch brannte, und legte die rechte Hand seelenruhig auf den Rost.
    Jeden Augenblick erwartete Porsenna das »Au!«. Aber nichts dergleichen. Als ein feiner Duft von bistecca florentina aufstieg, merkte der König, daß er verspielt hatte. Voller Bewunderung gab er Mucius den Beinamen Scaevola (Linkshand) sowie die Freiheit.
    Der Appetit auf alles Weitere war Porsenna vergangen. In jeder Beziehung. Er befahl den Rückzug. Rom war wieder frei.

    *

    Wahr ist, daß Rom wirklich, nachdem Porsenna es ohne große Schwierigkeiten genommen hatte, bald wieder frei wurde. Erinnern Sie sich, daß Porsenna eine famose Idee gehabt hatte? Es muß jetzt folgendes passiert sein: Anstatt Tarquinius wieder als König einzusetzen, verhandelte Porsenna mit den Römern. Worüber? Über eine Nicht-Einsetzung. Dies ist nur eine Vermutung, aber sie ist die einzige Erklärung für die unglaubliche und alle Historiker verwirrende Tatsache, daß Tarquinius eben nicht zurückkehrte, Rom aber, wie w ir wissen, eine so
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