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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix
Autoren: Richard Montanari
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anfing, war er nicht mehr zu halten.
    Zuerst konnte Byrne Son House nicht von Maxwell House unterscheiden. Aber viele Nächte im Warmdaddy’s und Ausflüge nach Bubba Mac’s an der Küste hatten das geändert. Jetzt erkannte er nach dem zweiten oder spätestens dritten Ton den Unterschied zwischen Delta und Beale Street und Chicago und St. Louis und allen anderen Schattierungen des Blues.
    Der erste Song auf der CD war My Man Jumped Salty on Me von Rosetta Crawford.
    Jimmy hatte ihm gezeigt, dass die Klänge des Blues Trost spenden konnten. Es war ebenfalls Jimmy, der ihm nach der Morris-Blanchard-Affäre geholfen hatte, aus der Dunkelheit zurück ins Licht zu treten.
    Vor einem Jahr hatte ein reicher junger Mann namens Morris Blanchard seine Eltern kaltblütig ermordet. Er hatte beide durch einen Kopfschuss mit seiner Winchester 9410 hingerichtet. Das hatte Byrne jedenfalls geglaubt – so felsenfest wie alles, was er in den zwei Jahrzehnten in seinem Job für die Wahrheit gehalten hatte.
    Er hatte den achtzehnjährigen Morris fünf Mal verhört, und jedes Mal war die Schuld in den Augen des jungen Mannes wie ein gewaltiger Sonnenaufgang aufgeflackert.
    Byrne hatte die Spurensicherung wiederholt auf Morris’ Wagen, sein Zimmer, seine Kleidung angesetzt. Sie fanden kein einziges Haar und keine einzige Faser oder auch nur einen Tropfen seiner Körperflüssigkeit, die bewiesen hätte, dass Morris sich im Zimmer aufgehalten hatte, als seine Eltern von der Flinte zerfetzt worden waren.
    Byrne wusste, dass er für eine Verurteilung des Jungen ein Geständnis brauchte. Daher hatte er ihn in die Enge getrieben und die Schlinge immer straffer um seinen Kopf gezogen. Sobald Morris sich rührte – Konzerte besuchte oder Coffee-Shops oder die Bibliothek –, war Byrne zur Stelle. Er hatte sich sogar einen stinklangweiligen Experimentalfilm namens Eating angesehen. Er hatte sich zwei Reihen hinter Morris und seine Begleiterin gesetzt, nur um den Druck auf den Verdächtigen zu verstärken. Seine Arbeit an jenem Abend hatte vor allem darin bestanden, während des Films nicht einzuschlafen.
    Eines Nachts parkte Byrne vor Morris’ Zimmer, genau unter dem Fenster seiner Studentenbude auf dem Swarthmore Campus. Acht Stunden lang spähte Morris alle zwanzig Minuten durch die Gardinen, um zu sehen, ob Byrne noch da war. Byrne hatte darauf geachtet, dass das Fenster seines Ford Taurus offen und die Glut seiner Zigarette in der Dunkelheit zu sehen war. Jedes Mal, wenn Morris durch die Gardine spähte, streckte er gleichzeitig den Mittelfinger hindurch.
    Das Spiel dauerte bis zum Morgengrauen. Gegen halb acht an jenem Morgen beschloss Morris Blanchard, sich aufzuhängen anstatt sein Seminar zu besuchen oder die Treppe hinunterzusteigen, sich Byrne zu ergeben und ein Geständnis abzulegen. Blanchard warf ein Stück Seil über ein Rohr im Kellergeschoss des Studentenwohnheims, zog sich nackt aus und trat den Sägebock unter seinem Körper weg. Ein letzter Leck-mich-am-Arsch-Gruß an das System. Auf seiner Brust klebte ein Zettel, auf dem Kevin Byrne als sein Henker gebrandmarkt wurde.
    Eine Woche später wurde der Gärtner der Blanchards in einem Motel in Atlantic City aufgespürt. In seinem Besitz befanden sich Robert Blanchards Kreditkarten, und seine Sporttasche war mit blutverschmierten Klamotten voll gestopft. Er legte auf der Stelle ein Geständnis ab.
    In Byrnes Kopf hatte sich eine Tür geschlossen.
    Zum ersten Mal in fünfzehn Jahren hatte er sich geirrt.
    Für die Bullen-Hasser war es ein gefundenes Fressen. Morris’ Schwester Janice erhob gegen Byrne, die Polizei und die Stadt Anklage wegen Mordes an ihrem Bruder. Bei keinem der Prozesse war viel herausgekommen, doch die Last war immer schwerer geworden, bis Byrne daran zu zerbrechen drohte.
    Die Zeitungen bewarfen ihn in ihren Leitartikeln und Kommentaren wochenlang mit Dreck. Der Inquirer , die Daily News und sogar CityPaper machten ihn fertig, gingen aber schließlich wieder zur Tagesordnung über. Es waren The Report , ein Boulevardblatt, das sich selbst als alternative Presse bezeichnete, aber in Wirklichkeit nicht viel mehr als ein mieses Klatschblatt war, und ein Kolumnist namens Simon Close – ein unglaubliches Arschloch –, die den Fall zu ihrer persönlichen Angelegenheit gemacht hatten. In den Wochen nach Morris Blanchards Selbstmord schrieb Simon Close einen Hetzartikel nach dem anderen über Byrne, die Polizei und den Polizeistaat Amerika und schloss seine
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