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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix
Autoren: Richard Montanari
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Buntstiften – allem Anschein nach handelte es sich um eine orangefarbene, sechsbeinige Version von Shrek –, während sie umständlich an einem Keks knabberte.
    »Sicher?«, fragte Jessica. »Schmeckt wirklich sehr, sehr gut.«
    »Nee danke.«
    Verflixt, dachte Jessica. Das Kind war so dickköpfig wie sie. Sobald Sophie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wich sie nicht mehr davon ab. Das war einerseits gut, andererseits schlecht. Gut, weil es bedeutete, dass die kleine Tochter von Jessica und Vincent Balzano nicht so schnell aufgab. Schlecht, weil Jessica sich schon jetzt auf Streitereien mit der pubertierenden Sophie Balzano gefasst machen konnte, die selbst die Operation Desert Storm in den Schatten stellen würden.
    Jessica fragte sich, wie Sophie die Trennung in Zukunft verkraften würde. Fest stand auf jeden Fall, dass sie ihren Vater schrecklich vermisste.
    Jessica schaute zum Kopfende des Tisches, wo Sophie den Tisch für Vincent gedeckt hatte. Das Besteck bestand zwar aus einer kleinen Suppenkelle und einer Fonduegabel, aber es war der gute Wille, der zählte. In den letzten Monaten hatte Sophie immer, wenn die Anwesenheit einer vollständigen Familie verlangt wurde, wozu auch ihre Teepartys samstagnachmittags auf dem Hof gehörten – Veranstaltungen, an denen ihr gesamter Stofftierzoo mit Bären, Enten und Giraffen teilnahm –, einen Platz für ihren Vater reserviert. Sophie war alt genug, um zu wissen, dass das Universum ihrer kleinen Familie durcheinander geraten war, aber jung genug, um zu glauben, dass die Zauberkraft eines kleinen Mädchens etwas an diesem Zustand ändern könnte. Das war eine von tausend Situationen, die Jessica jeden Tag einen Stich versetzten.
    Sie überlegte sich gerade einen Plan, um Sophie abzulenken, damit sie mit der noch immer halb gefüllten Salatschale zum Spülbecken gehen konnte, als das Telefon klingelte. Es war Jessicas Lieblingscousine Angela. Angela Giovanni war ein Jahr jünger, und sie stand Jessica so nahe wie eine Schwester.
    »Hi, Detective Balzano von der Mordkommission«, sagte Angela.
    »Hi, Angie.«
    »Hast du geschlafen?«
    »O ja, volle zwei Stunden.«
    »Bist du bereit für den großen Tag?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Zieh einfach deine maßgeschneiderte Rüstung an, dann ist alles gut«, schlug Angela vor.
    »Wenn du meinst«, erwiderte Jessica. »Es ist nur …«
    »Was?«
    Jessicas Angst war so verschwommen und unbestimmt, dass sie Mühe hatte, sie zu benennen. Sie kam sich wirklich so vor, als wäre es ihr erster Schultag. »Es ist nur so, dass ich zum ersten Mal im Leben richtig Schiss habe.«
    »Eh!«, begann die stets optimistische Angela. »Wer hat das College in drei Jahren geschafft?«
    Es war ein altes Spiel, das sie immer spielten, aber Jessica stand heute nicht der Sinn danach. »Ich.«
    »Wer hat das Examen auf Anhieb geschafft?«
    »Ich.«
    »Und wer hat Ronnie Anselmo verprügelt, weil er dich bei Beetlejuice begrabscht hat?«
    »Das müsste ich gewesen sein«, sagte Jessica, obwohl sie sich nicht erinnerte, dass es ihr so viel ausgemacht hatte. Ronnie Anselmo war eigentlich ganz süß. Aber es ging ums Prinzip.
    »Stimmt genau. Mit dir war schon früher nicht zu spaßen«, sagte Angela. »Und denk daran, was Großmama immer gesagt hat: Meglio un uovo oggi che una gallina domani .«
    Jessicas Erinnerung an die Kindheit war geweckt, an die Ferien im Haus ihrer Großmutter in der Christian Street in Süd-Philadelphia, an den Duft von Knoblauch und Basilikum und Asiago und geröstete Paprika. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Großmutter im Frühling und Sommer immer auf ihrer winzigen Veranda saß, Stricknadeln in den Händen, die scheinbar endlose Wolle auf dem fleckenlosen Beton, immer grüne und weiße, die Farben der Philadelphia Eagles, und wie sie allen mit ihren Weisheiten auf die Nerven ging. Dieser Spruch war einer ihrer Dauerbrenner. Besser heute ein Ei als morgen ein Huhn.
    Es folgten gegenseitige Fragen nach den jeweiligen Familienmitgliedern, denen es allen mehr oder weniger gut ging. Dann sagte Angela wie erwartet:
    »Ach, übrigens, er hat nach dir gefragt.«
    Jessica wusste genau, wen Angela meinte.
    »Ach ja?«
    Patrick Farrell war Notarzt im St. Joseph’s Hospital, wo Angela als Röntgenassistentin arbeitete. Patrick und Jessica hatten eine kurze, harmlose Affäre gehabt, ehe Jessica sich mit Vincent verlobt hatte. Sie hatte ihn eines Nachts kennen gelernt, als sie in Ausübung ihres Dienstes einen Nachbarsjungen mit
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