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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix
Autoren: Richard Montanari
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herunterzog, schüttelte Byrne beim Anblick dessen, was er sah, unwillkürlich den Kopf. Gideon Pratt hatte seine Schamhaare abrasiert. Pratt blickte auf seine Leiste und dann auf Byrne.
    »Es ist ein Ritual«, sagte Pratt. »Ein religiöses Ritual.«
    Byrne platzte der Kragen. »Das ist die Kreuzigung auch, du Scheißkerl«, sagte er. »Was hältst du davon, wenn wir uns aus dem Baumarkt ein paar Latten und Nägel besorgen?«
    In diesem Augenblick traf sein Blick den des Arztes. Dr. Hirsch bedeutete ihm schweigend, dass sie eine Probe eines Schamhaares hatten. Niemand konnte sich die Schamhaare vollständig abrasieren. Byrne griff die Information auf.
    »Wenn du glaubst, dass du uns durch dein kleines Ritual eine Probe vorenthalten kannst, bist du wirklich ein Idiot«, sagte Byrne. »Falls du daran gezweifelt hast.« Er stand dicht vor Gideon Pratt und schaute ihm in die Augen. »Außerdem hätten wir dich nur festzuhalten brauchen, bis die Haare nachwachsen.«
    Pratt schaute seufzend an die Decke.
    Daran hatte er offenbar nicht gedacht.
     
    Byrne saß auf dem Parkplatz des Präsidiums im Wagen, um sich nach dem langen Tag auszuruhen und einen Irish Coffee zu trinken. Der Kaffee aus einem der Coffee-Shops, von denen es auf der Jameson wimmelte, schmeckte scheußlich.
    Der Himmel war klar und schwarz und wolkenlos über einem hell leuchtenden Mond.
    Schüchtern kündigte sich der Frühling an.
    Byrne hatte ein paar Stunden in dem geliehenen Lieferwagen geschlafen, mit dem er Gideon Pratt geködert hatte, und den Wagen später seinem Freund Ernie Tedesco zurückgebracht. Ernie gehörte ein kleines Fleisch-Verpackungs-Unternehmen in Pennsport.
    Byrne strich über die Narbe über seinem rechten Auge. Sie fühlte sich warm und geschmeidig an und sprach von einem Schmerz, der im Moment verschwunden war, ein Phantomschmerz, der vor vielen Jahren zum ersten Mal aufgeflackert war. Er kurbelte das Fenster herunter, schloss die Augen und spürte, wie die Erinnerungen in ihm aufstiegen.
    In dieser dunklen Ecke, wo sich Verlangen und Abscheu trafen, dieser Ort, wo das eisige Wasser des Delaware River vor so langer Zeit wütete, sieht er im Geiste die letzten Lebensminuten eines jungen Mädchens, beobachtet, wie namenloser Schrecken und Entsetzen sich verdichten …
    … sieht das reizende Gesicht von Deirdre Pettigrew. Sie ist für ihr Alter klein und naiv. Sie hat ein freundliches Wesen und führt ein behütetes Leben. Es ist schwül an diesem Tag und Deirdre bleibt an einem Springbrunnen im Fairmount Park stehen, um einen Schluck Wasser zu trinken. Ein Mann sitzt auf der Bank neben dem Brunnen. Er erzählt ihr, dass er eine Enkelin in ihrem Alter gehabt habe; er habe das Mädchen sehr geliebt. Eines Tages sei sie von einem Auto überfahren worden und gestorben. Das ist aber traurig, sagt Deirdre. Sie erzählt ihm, dass ihre Katze Ginger auch von einem Auto überfahren wurde und gestorben sei. Der Mann nickt mit feuchten Augen. Er sagt, er käme jedes Jahr am Geburtstag seiner Enkeltochter in den Fairmount Park, dem Lieblingsplatz des Mädchens.
    Der Mann bricht in Tränen aus.
    Deirdre stellt ihr Fahrrad ab und geht zu der Bank.
    Direkt dahinter wachsen dichte Sträucher.
    Deirdre schenkt dem Mann ein Taschentuch …
     
    Byrne trank seinen Kaffee und zündete sich eine Zigarette an. Sein Herz klopfte laut; die Bilder kämpften darum, ans Licht zu kommen. Er hatte einen hohen Preis dafür bezahlen müssen. Im Laufe der Jahre hatte er sich selbst behandelt, auf unterschiedlichste Weise, legal und illegal, auf konventionelle oder alternative Art. Nichts half Er hatte ein Dutzend Ärzte aufgesucht und sich alle Diagnosen angehört – eine Migräne mit Aura war bis heute die vorherrschende Theorie.
    Aber es gab keine Lehrbücher, die diese Aura beschrieben. Seine Aura waren keine hellen, gekrümmten Linien. So etwas hätte ihm gefallen.
    Hinter seiner Aura verbargen sich Monster.
    Als er zum ersten Mal eine »Vision« von Deirdres Mörder hatte, war es ihm nicht gelungen, Gideon Pratts Gesicht zu erkennen. Das Gesicht des Mörders war eine verschwommene, blasse Skizze des Bösen.
    Als Pratt das Paradise betrat, hatte Byrne es gewusst.
    Er schob eine selbst gebrannte CD mit klassischen Blues-Titeln in den CD-Player. Jimmy Purify hatte die Liebe zum Blues in ihm geweckt; durch ihn hatte er auch den wahren Blues kennen gelernt: Elmore James, Otis Rush, Lightnin’ Hopkins, Bill Broonzy. Wenn Jimmy einmal von Kenny Wayne Shepherd
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