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Bullenhitze

Bullenhitze

Titel: Bullenhitze
Autoren: Matthias P. Gibert
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Hitze, die ihm augenblicklich den Atem raubte.
     
     

36
    Thilo Hain jagte mit seinem Wagen durch die verlassen wirkende nächtliche Stadt. Immer wieder kam er auf den noch nicht geräumten Straßen ins Schleudern, trotzdem holte er alles aus dem kleinen Motor vor seinen Füßen heraus. Dann hatte er das Friedhofsgelände erreicht, schoss am Haupteingang vorbei und nahm die nächsten beiden Linkskurven mit überhängendem Heck. Für einen Moment war er unschlüssig, ob er den Haupteingang oder den Hintereingang ansteuern sollte, doch diese Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er die unberührt aussehende, dünne Schneedecke auf dem Platz vor dem Haupteingang vor sich sah. Eine weitere Rechtskurve, und er hatte den großen rückwärtigen Bereich vor sich liegen. Aus dem hinteren Eingang fiel diffuser, matter Lichtschein. Vor der Tür erkannte er zwei Wagen, einen dunklen Mercedes und einen hellen VW-Transporter. Mit Vollgas hielt er auf den Mercedes zu und wollte auf der letzten Rille bremsen, wobei ihm schlagartig klar wurde, dass dieses Manöver von ihm viel zu optimistisch geplant war. Mit einem vom ABS pulsierenden rechten Fuß und nahezu stehenden Rädern knallte er voll in die Seite der Nobellimousine. Der Airbag sprang ihm mit einem lauten Knall ins Gesicht, sein Körper wurde unsanft nach vorne geschleudert und von Gurt und Luftsack im gleichen Sekundenbruchteil aufgefangen und zurückgeschleudert. Trotzdem griff er sofort zum Gurtschloss neben seinem rechten Beckenknochen, drückte den Auslöser, schlug auf den langsam zurücksinkenden, stinkenden, weißen Kunststoffsack vor seinem Gesicht, entriegelte die Tür und stürzte sich aus dem Auto. Noch im Losrennen verfluchte er, ohne seine Dienstwaffe aufgebrochen zu sein, doch das war jetzt nicht mehr zu ändern. Gleich darauf hatte er die Hintertür des Krematoriums erreicht und riss daran. Das schwere Holzblatt schwang ihm entgegen, er stürmte in den Technikraum und nahm mit hochgestellten Nackenhaaren mehr wahr, als dass er es sehen konnte, dass genau in diesem Augenblick ein Sarg in den Verbrennungsofen einfuhr. Und es war ihm völlig klar, wer in diesem Sarg zu seiner Hinrichtung gefahren wurde. Direkt neben der im Ofen verschwindenden Kiste stand Roland Kronberger und starrte Hain mit verwundertem Gesicht an. Wichtiger für den Kommissar jedoch war der  Mann, der neben der Steuereinheit, keinen Meter von ihm entfernt, mit dem Rücken zu ihm stand, und mit der rechten Hand die Bewegungen der Lafette überwachte, die den Sarg transportierte. Im Gegensatz zum seriös und edel gekleideten Kronberger trug er verwaschene, braune Cordhosen, ausgelatschte Stiefel und einen alten, olivgrünen Militärparka. Nun hatte die Holzkiste die Höllenglut im Innern des Verbrennungsofens erreicht, schwebte aber noch immer auf der Metalllafette über den Sargtragspitzen.
    Hain überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, ob er den Mann mit einem gezielten Schlag würde außer Gefecht setzen können, verwarf den Gedanken jedoch mit seiner Entstehung. In diesem Fall müsste er selbst dafür sorgen, dass der Sarg und sein Inhalt wieder ins Freie befördert werden würden. Also sprang er neben ihn, nahm seinen Hals in beide Hände und drückte zu. Der Mann zuckte verwirrt zusammen, sah dem Polizisten völlig panisch ins Gesicht und riss die Arme nach oben.
    »Rausholen!«, schrie Hain ihn an. »Hol den verdammten Sarg aus dem Ofen. Sofort!«
    Der Polizist spürte die enorme Hitze, die aus der offen stehenden Tür des Verbrennungsofens in den Raum strömte, und verstärkte den Druck auf den Hals des Mannes. Gleichzeitig nahm er aus dem Augenwinkel heraus wahr, dass der Sarg anfing zu brennen.
    »Hol ihn raus!«
    Mit zitternden Fingern tastete der Mann nach einem Schalter neben seinem Kopf und drückte darauf. Sofort schoss der Sarg aus dem Ofen und kam lichterloh brennend direkt vor Kronbergers Füßen zum Stehen. Und im gleichen Moment ließ Hain den Hals des Mannes neben sich los, schubste ihn in den Raum und griff nach einem Feuerlöscher, der etwa einen Meter entfernt an der seitlichen Wand hing. Ohne nachzudenken riss er den Sicherungsstift heraus und nebelte alles um den Sarg herum ein. Kronberger und sein Helfer flüchteten vor dem Löschmittel in den hinteren Teil des Raumes, konnten aber nicht verhindern, dass sie von oben bis unten in ein kräftiges Weiß getaucht wurden.
    Hain nahm die Hand vom Abzugsgriff, ließ den Feuerlöscher neben sich fallen und trat mit
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