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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks
Autoren: Thomas Mann
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die weiße Thür zum Billardsaale öffnete.
    {43} Herr Köppen warf sich erschöpft auf einen der steifen Stühle, die an den Wänden des weiten, kahl und streng aussehenden Raumes standen.
    »Ich sehe fürs erste zu!« rief er und klopfte die feinen Regentropfen von seinem Leibrock. »Hole mich der Teufel, was ist das für eine Reise durch Euer Haus, Buddenbrook!«
    Ähnlich wie im Landschaftszimmer brannte hier hinter einem Messinggitter der Ofen. Durch die drei hohen und schmalen Fenster blickte man über feuchtrote Dächer, graue Höfe und Giebel …
    »Eine Carambolage, Herr Senator?« fragte der Konsul, während er die Queues aus den Gestellen nahm. Dann ging er umher und schloß die Löcher der beiden Billards. »Wer will mit uns sein? Grätjens? Der Doktor? All right. Grätjens und Justus, dann nehmen Sie das andere … Köppen, du
mußt
mitspielen.«
    Der Weinhändler stand auf und horchte, den Mund voll Cigarrenrauch, auf einen starken Windstoß, der zwischen den Häusern pfiff, den Regen prickelnd gegen die Scheiben trieb und sich heulend im Ofenrohr verfing.
    »Verflucht!« sagte er und stieß den Rauch von sich. »Glaubst du, daß der ›Wullenwewer‹ zu Hafen kann, Buddenbrook? Was für ein Hundewetter …«
    Ja, die Nachrichten aus Travemünde waren nicht die besten; dies bestätigte auch Konsul Kröger, der das Leder seines Stockes kreidete. Stürme in allen Küsten. Anno 24 war es, weiß Gott, nicht viel schlimmer, als in St. Petersburg die große Wasserflut war … Na, da kam der Kaffee.
    Man bediente sich, man trank einen Schluck und begann zu spielen. Dann aber begann man vom Zollverein zu sprechen … oh, Konsul Buddenbrook war begeistert für den Zollverein!
    »Welche Schöpfung, meine Herren!« rief er, sich nach einem geführten Stoße lebhaft umwendend, zum anderen Billard {44} hinüber, wo das erste Wort gefallen war. »Bei erster Gelegenheit sollten wir beitreten …«
    Herr Köppen aber war nicht dieser Meinung, nein, er schnob geradezu vor Opposition.
    »Und unsere Selbständigkeit? Und unsere Unabhängigkeit?« fragte er beleidigt und sich kriegerisch auf sein Queue stützend. »Wie steht es damit? Würde Hamburg es sich beifallen lassen, bei dieser Preußenerfindung mitzuthun? Wollen wir uns nicht gleich einverleiben lassen, Buddenbrook? Gott bewahre uns, nein, was sollen wir mit dem Zollverein, möchte ich wissen! Geht nicht alles gut? …«
    »Ja, du mit deinem Rotspohn, Köppen! Und dann vielleicht mit den russischen Produkten, davon sage ich nichts. Aber weiter wird ja nichts importiert! Und was den Export betrifft, nun ja, so schicken wir ein bißchen Korn nach Holland und England, gewiß! … Ach nein, es geht leider nicht alles gut. Es sind bei Gott hier ehemals andere Geschäfte gemacht worden … Aber im Zollverein würden uns die Mecklenburgs und Schleswig-Holstein geöffnet werden … Und es ist nicht auszurechnen, wie das Propregeschäft sich aufnehmen würde …«
    »Aber ich bitte Sie, Buddenbrook«, fing Grätjens an, indem er sich lang über das Billard beugte und den Stock auf seiner knochigen Hand sorgsam zielend hin und her bewegte, »dieser Zollverein … ich verstehe das nicht. Unser System ist doch so einfach und praktisch, wie? Die Einklarierung auf Bürgereid …«
    »Eine schöne alte Institution.« Dies mußte der Konsul zugeben.
    »Nein, wahrhaftig, Herr Konsul, – wenn Sie etwas ›schön‹ finden!« Senator Langhals war ein wenig entrüstet: »Ich bin ja kein Kaufmann … aber wenn ich ehrlich sein soll – nein, das mit dem Bürgereid ist ein Unfug, allmählich, das muß ich sagen! Es ist eine Formalität geworden, über die man ziemlich {45} schlank hinweggeht … und der Staat hat das Nachsehen. Man erzählt sich Dinge, die denn doch arg sind. Ich bin überzeugt, daß der Eintritt in den Zollverein von seiten des Senates …«
    »Dann giebt es einen Konflikt –!« Herr Köppen stieß zornentbrannt das Queue auf den Boden. Er sagte »Kongflick« und stellte jetzt alle Vorsicht in Betreff der Aussprache hintan. »Einen Kongflick, da versteh' ich mich auf. Nee, alle schuldige Achung, Herr Senater, aber Sie sind ja woll nich zu helfen, Gott bewahre!« Und er redete hitzig von Entscheidungs-Kommissionen und Staatswohl und Bürgereid und Freistaaten …
    Gottlob, daß Jean Jacques Hoffstede ankam! Arm in Arm mit Pastor Wunderlich trat er herein, zwei unbefangene und muntere alte Herren aus sorgloserer Zeit.
    »Nun, meine braven
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