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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
Autoren: Donna Leon
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irgendwie vermitteln ... inoffiziell natürlich. Würde Marco eine Menge Ärger ersparen.«
    »Weiß seine Frau Näheres?«
    »Nur was Marco ihr erzählt hat: daß er sich mit einem Transparent dort postiert hatte, zusammen mit seiner Gruppe, etwa ein Dutzend Leute. Plötzlich seien drei oder vier Fremde aufgetaucht, die die Arbeiter anpöbelten und sogar bespuckten. Und dann warf jemand einen Stein.« Bevor Brunetti nachhaken konnte, sagte Vianello: »Nein, Marco weiß nicht, wer's war. Er sagt, er habe nichts gesehen. Das mit dem Stein hat ihm wer erzählt. Und dann war auf einmal die Polizei da, er wurde zu Boden geworfen, in einen Transporter verfrachtet und nach Mestre gebracht.«
    Nichts davon überraschte Brunetti im mindesten. Falls kein Videofilmer vor Ort gewesen war, würden sie nie erfahren, wer als erster zugeschlagen oder wer den Stein geworfen hatte, und folglich wußten nur die Götter, wie die Anklage lauten und gegen wen sie sich richten würde.
    Nach kurzem Schweigen sagte Brunetti: »Du hast recht, aber wir erledigen das lieber persönlich.« Und falls es sonst nichts bringt, dachte er bei sich, haben wir immerhin einen Grund, dem Büro zu entfliehen. »Können wir gehen?«
    »Ja«, sagte Vianello und erhob sich.

2
    A ls sie aus der Questura traten, sah Brunetti eine Polizeibarkasse auf die Anlegestelle zusteuern. Foa, der neue Bootsführer, stand am Ruder. Er grüßte Brunetti mit einem Lächeln und winkte Vianello zu. »Wo wollen Sie hin?« rief er und schob ein »Commissario« nach, um klarzustellen, wem die Frage galt.
    »Piazzale Roma«, sagte Brunetti, der beim dortigen Kommissariat telefonisch einen Wagen bestellt hatte. Da von seinem Bürofenster aus kein Polizeiboot in Sicht gewesen war, hatte der Commissario angenommen, er und Vianello würden das Vaporetto nehmen müssen.
    Foa sah auf die Uhr. »Ich habe erst um elf die nächste Fuhre, Commissario - bis dahin bin ich leicht zurück, wenn ich Sie jetzt rüberbringe.« Und an Vianello gewandt: »Komm schon, Lorenzo: Herrliches Bootswetter heute.«
    Mehr brauchte es nicht, um die beiden an Bord zu locken. Sie blieben an Deck, während Foa den Canal Grande entlangsteuerte. Beim Rialto meinte Brunetti augenzwinkernd zu Vianello: »Der erste richtige Frühlingstag, und schon schwänzen wir beide wieder.«
    Vianello lachte, weniger über Brunettis Bemerkung als aus Freude über das prächtige Wetter, die schräg einfallenden Sonnenstrahlen, die vor ihnen auf dem Wasser tanzten, und über den diebischen Spaß, am ersten Frühlingstag blauzumachen.
    Als das Boot am Piazzale Roma anlegte, bedankten sich beide Männer bei Foa und gingen an Land. Hinter der ACTV-Zentrale wartete ein Streifenwagen mit laufendem Motor, dessen Fahrer sich, kaum daß sie eingestiegen waren, in den Verkehr einfädelte, der über den Damm zum Festland rollte.
    Im Präsidium in Mestre brachte Brunetti rasch in Erfahrung, daß die festgenommenen Demonstranten Giuseppe Zedda zugeteilt worden waren, einem Kollegen, mit dem er vor einigen Jahren schon einmal zusammengearbeitet hatte. Zedda, ein Sizilianer, den Brunetti fast um Haupteslänge überragte, hatte den Commissario seinerzeit durch seine unbedingte Ehrlichkeit beeindruckt. Sie waren zwar nicht direkt Freunde geworden, hatten einander aber kollegialen Respekt gezollt. Weshalb Brunetti heute darauf vertraute, daß Zedda für einen gerechten Ablauf sorgen und verhindern würde, daß man die Inhaftierten zu Aussagen drängte, die sie später widerrufen mochten.
    »Könnten wir einen der Männer sprechen, die ihr in Gewahrsam habt?« fragte Brunetti, nachdem er und Vianello den angebotenen Kaffee dankend abgelehnt hatten.
    »Wen denn?« Erst Zeddas Gegenfrage machte Brunetti klar, daß er von dem Mann, dessentwegen sie gekommen waren, nicht mehr wußte, als daß er mit Vornamen Marco hieß und ein Freund von Vianello war.
    »Ribetti«, soufflierte Vianello.
    »Na, dann kommt mal mit«, sagte Zedda. »Ich stelle euch einen Verhörraum zur Verfügung und lasse den Mann vorführen.«
    Das Zimmer, in das sie gebracht wurden, unterschied sich in nichts von all den anderen Verhörräumen, die Brunetti mit den Jahren kennengelernt hatte: Der Fußboden mochte heute morgen frisch gewischt worden sein - vielleicht sogar erst vor zehn Minuten -, trotzdem knirschte körniger Staub unter ihren Sohlen, und zwei Plastikbecher lagen nicht im, sondern neben dem Papierkorb. Es roch nach abgestandenem Rauch, ungewaschenen Kleidern und
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