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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine
Autoren: Donna Leon
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er.
    Brunetti richtete sich auf und ließ die Arme sinken. »Doch«, sagte er und stieß die Tür auf. »Ich hab nur gerade eine gute Nachricht bekommen.«
    Der Mann musterte ihn mit scheelem Blick. »Komische Art, sich darüber zu freuen.«
    »Ja, ja, stimmt.« Brunetti dankte dem Mann für seine Fürsorge; der kehrte achselzuckend an seinen Stand zurück, während Brunetti sich wieder in Richtung Questura aufmachte.
    Unterwegs beschloß er, niemanden einzuweihen. Signorina Elettras Dateien waren gelöscht: Dabei wollte er es belassen. Ihr alter Computer stand jetzt bei Vianello zu Hause: Mochte er bleiben, wo er war. Die Leiche war nicht mehr da, aber Claudio war in Sicherheit. Wenn die oben in Rom den Mord auf ihre Art lösen wollten: nur zu. Er würde ihnen nicht mehr in die Quere kommen; für ihn war der Fall erledigt. Den ganzen Rückweg haderte er mit seinem früheren, unbelehrbaren Ich, das sich unterstanden hatte, einen wehrlosen alten Mann in Gefahr zu bringen und die Stellung, ja womöglich gar die Sicherheit der zwei Menschen aufs Spiel zu setzen, die er als einzige in der Questura liebgewonnen hatte.
    Brunetti war in Gedanken schon ein Stück weiter, ehe ihm bewußt wurde, was er gerade gedacht hatte. Er verlangsamte seinen Schritt, schob die Hände in die Taschen und sah hinunter auf seine Schuhe; fast wunderte es ihn, daß sie nicht durchgeweicht waren. »Die einzigen zwei Menschen in der Questura, die ich liebgewonnen habe.«
    »Maria Santissima!« murmelte er. Ein Ausruf, mit dem seine Mutter freudige Überraschungen zu begrüßen pflegte.

26
    W ährend der nächsten Tage verfiel Brunetti in eine Apathie, in der er weder den Willen noch die Kraft aufbrachte, zu arbeiten oder sich wegen seiner Untätigkeit zu grämen. Er vernahm eine Reihe von Professoren und Studenten an der Universität und kam zu dem Schluß, daß sie ihn alle belogen. Aber auch das konnte ihn nicht übermäßig bekümmern. Bestenfalls hatte er eine grimmige Freude daran, daß Korruption und Betrug sich auch in der rechtswissenschaftlichen Fakultät eingenistet hatten.
    Die Kinder spürten, daß etwas nicht in Ordnung war: Raffi bat ihn mehrmals, ihm bei den Hausaufgaben zu helfen, und Chiara bestand darauf, daß er ihre Italienischaufsätze las, und wollte wissen, was er davon hielt. Paola hörte auf, sich über die Uni zu beklagen, ja sie beklagte sich über gar nichts mehr und trieb es so weit, daß Brunetti der Verdacht kam, Außerirdische hätten seine Frau entführt und durch einen Androiden ersetzt.
    Eines Nachts wurden die Junkies, die eine der Einbruchsserien verübt hatten, um zwei Uhr morgens im Haus eines Notars gestellt. Dessen Sohn, der gerade von einer Party zurückkam und zuviel getrunken hatte, machte beim Betreten der Wohnung einen ziemlichen Krach, und als er die beiden Männer im elterlichen Wohnzimmer überraschte, ging er unbesonnen auf einen von ihnen los. Der Vater, den der Lärm geweckt hatte, kam mit einer Waffe herbeigeeilt, und als die Diebe ihn bemerkten, hob einer der beiden die Hand. Worauf der Notar ihn mit einem Schuß ins Gesicht tötete. Der andere versuchte in Panik zu fliehen, doch als er sich von dem Sohn losriß, schoß der Notar ihn in die Brust; auch er war auf der Stelle tot. Dann legte der Notar die Waffe aus der Hand und rief die Polizei.
    Als Brunetti am nächsten Morgen die Berichte las, war er entsetzt über diese sinnlose Vergeudung von Menschenleben. Die beiden hätten vielleicht ein Radio entwendet, schlimmstenfalls einen Fernseher oder etwas Schmuck. Jemand wie dieser Notar war bestimmt versichert und hätte keinen Verlust erlitten. Doch nun waren diese beiden armen Teufel tot. Der Onkel des einen war Schneider in dem Laden, wo Brunetti seine Anzüge kaufte; er kam in die Questura und wollte vom Commissario wissen, ob man gegen den Notar vorgehen würde. Brunetti mußte ihm sagen, daß man sehr wahrscheinlich auf Notwehr erkennen und folglich dem Täter keine Schuld anlasten würde.
    »Aber ist das gerecht?« begehrte der Mann auf. »Er schießt Mirko ins Gesicht, als ob er ein Hund wäre, und ihm geschieht gar nichts?«
    »Laut Gesetz hat er nichts getan, wofür wir ihn belangen könnten, Signor Buffetti. Er hatte einen gültigen Waffenschein. Und der Sohn sagt, Ihr Neffe habe versucht, ihn anzugreifen.«
    »Klar sagt er das!« rief der Mann. »Er ist sein Sohn.«
    »Ich weiß, wie es Ihnen vorkommen muß, Signore«, begütigte Brunetti. »Aber juristisch haben wir nichts gegen
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