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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine
Autoren: Donna Leon
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Immerhin hatten sie ihnen demonstriert, daß jede gespeicherte Information jederzeit von einer anderen Dienststelle aufgespürt und geplündert werden konnte. Brunetti grauste bei dem Gedanken an die Risiken, die er in den letzten Jahren eingegangen war und deren Nachweis sich auf der Festplatte des Computers befand, der jetzt in Vianellos Besitz war. Sie alle drei - er, Vianello und Signorina Elettra - wären beruflich erledigt, wenn die falschen Leute in der Questura dahinterkamen, was für sensible Daten sie im Lauf der Jahre zusammengetragen und auf welchem Wege sie die beschafft hatten.
    Unwillkürlich fiel ihm das Hochzeitskleid ein, das Medea an Jasons Braut geschickt hatte: Was auch immer die Prinzessin oder ihr Vater Kreon versuchten, sie konnten die Flammen, die bei der Anprobe aus dem vergifteten Gewand loderten, nicht ersticken. Ähnliches galt offenbar für die Daten auf einem Computer: Nichts, außer der völligen Zerstörung, vermochte sie zuverlässig zu löschen.
    Brunetti sagte sich, er dürfe die Gefahren nicht übertreiben, zumal er nicht genug von Computern verstehe, um sich in seinem Urteil sicher zu sein. Außerdem betrafen die einzigen Dateien, die entdeckt worden waren, ein Verbrechen, das er völlig rechtmäßig untersucht hatte. Rizzardis Bericht über die Foltermale mit den grausigen Fotos lag sicher verwahrt in seinem Telefonbuch.
    In seinem Büro hängte Brunetti wie gewöhnlich erst den Mantel auf, sah die Post durch und las die Mitteilungen auf seinem Schreibtisch, bevor er das Telefonbuch aus der Schublade holte. Wobei ihn das sonderbare Gefühl beschlich, unsichtbare Zeugen könnten ihn beobachten. Er fand die Fotos in ihrem Versteck unter dem Buchstaben P und schob sie zusammengefaltet in die Innentasche seines Jacketts. Als das erledigt war, durchströmte ihn eine mächtige Welle der Erleichterung, und er spürte, wie sein Hemd unter den Achseln feucht wurde.
    Im übrigen erinnerten ihn die Fotos daran, daß Frau Professor Winter sich noch gar nicht bei ihm gemeldet hatte. Das telefonino, das in seiner Vorstellung Signor Rossi gehörte, hatte über die Feiertage mißachtet und verwaist auf seinem Nachttisch gelegen. Doch an diesem ersten Arbeitstag hatte Brunetti es morgens beim Ankleiden eingesteckt.
    Als er es jetzt hervorholte, sah er, daß der Akku fast leer war. Die Nummer der Professoressa war jedoch noch gespeichert. Brunetti war schon dabei, sie einzutippen, als er es sich anders überlegte und die Nummer statt dessen auf einem Stück Papier notierte. Er steckte das telefonino wieder ein und verließ die Questura in Richtung der Telefonzellen an der Riva degli Schiavoni.
    »Ah, Commissario«, sagte Professor Winter, sobald sie seinen Namen hörte, »hatten Sie ein schönes Weihnachtsfest?«
    »Danke, ja. Sie hoffentlich auch?«
    »Herrlich. Ich war auf Mali, wissen Sie. Haben Sie meine Nachricht nicht bekommen?«
    »Nachricht?« wiederholte er einfältig.
    »Ja, ich habe angerufen, um Ihnen zu sagen, daß ich verreisen würde. Und Ihr Assistent versprach mir, es Ihnen auszurichten.«
    Beinahe hätte Brunetti den Hörer fallen lassen. Aber das Guthaben auf seiner Telefonkarte schrumpfte atemberaubend schnell, also nahm er sich zusammen und sagte: »Er wird es wohl vergessen haben, oder er hat mir einen Zettel geschrieben, und der ist in den Bergen aufgelaufener Post untergegangen. Würden Sie mir noch einmal wiederholen, was Sie ihm gesagt haben?« Brunetti probierte ein leises, verbindliches Lachen, das ihm ganz überzeugend schien. »Haben Sie meinem Assistenten gesagt, um was es ging?«
    »Nein, nur, daß ich über die Feiertage verreisen würde.«
    »Oh, aber nun sind Sie wieder da.« Was hätte erfreut klingen sollen, machte ihn, so argwöhnte Brunetti, nur lächerlich. »Und die Fotos? Haben Sie die bekommen?«
    »Ja. Aber leider mit italienischem Tempo.« Signora Winters Lachen klang eine Spur überheblich. »Ich habe sie erst nach meiner Rückkehr vorgefunden. Und als ich nichts mehr von Ihnen hörte, dachte ich offen gestanden, Sie hätten es inzwischen selbst herausgebracht. In jedem Buch über afrikanische Kunst wären Sie auf die Lösung Ihres Problems gestoßen.«
    »Nein, nichts dergleichen, Professoressa.« Brunetti zwang Jovialität in seine Stimme und unterdrückte den wachsenden Unmut. »Nur die Mühlen der Bürokratie.« Erfolglos versuchte er, das entwaffnende Lachen nachzureichen, das ihm hier angemessen schien. »Könnten Sie mir dann jetzt dieses
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