Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
der freien Hand herbei. Als der Sergente neben ihm stand, trat Brunetti zur Seite, und Pucetti hakte den Dottore unter, der den Wechsel indes gar nicht zu bemerken schien. »Bringen Sie ihn zurück zum Boot«, sagte Brunetti zu den beiden Polizisten. Und setzte, an Vianello gewandt, hinzu: »Wenn Sie ihn nach Hause begleiten würden?«
    Pucetti sah den Commissario fragend an.
    »Helfen Sie Vianello, den Dottore an Bord zu schaffen, und dann kommen Sie zurück«, sagte Brunetti, der darauf zählte, daß Pucettis Intelligenz und angeborene Neugier - nicht zu vergessen seine Altersnähe zu den Kadetten - ihm deren Befragung erleichtern würde. Die beiden Beamten setzten sich in Bewegung; Moro taumelte so ungelenk zwischen ihnen, als nähme er seine Helfer gar nicht wahr.
    Brunetti sah ihnen nach, während sie den Hof verließen. Die Jungen spähten hin und wieder verstohlen in seine Richtung, aber kaum daß er ihren Blick erwiderte, schauten sie sofort weg oder starrten durch ihn hindurch auf die rückwärtige Mauer, als ob der Commissario Luft wäre.
    Als Pucetti nach ein paar Minuten zurückkam, bat Brunetti ihn herauszufinden, ob am Abend zuvor etwas Ungewöhnliches vorgefallen sei, und sich ein Bild von dem jungen Moro zu machen sowie die Meinung seiner Klassenkameraden über ihn einzuholen. Brunetti wußte, daß man diese Dinge jetzt klären mußte, bevor die Zöglinge ihre Aussagen miteinander absprechen konnten und bevor der Tod des Jungen sie veranlaßte, alles, was sie über ihn zu sagen hatten, mit jenem Schwachsinn zu verbrämen, der sich wie klebriger Zuckerguß auf Heiligen- und Märtyrerlegenden legt.
    Sobald draußen der ersehnte Zweiklang der Sirene aufheulte, ging Brunetti dem Team von der Spurensicherung bis zur Uferpromenade entgegen. Das weiße Polizeiboot drehte am Kanalufer bei; vier uniformierte Beamte stiegen aus und hievten die Koffer und Taschen mit der Ausrüstung von Bord.
    Die beiden Kriminaltechniker folgten zum Schluß. Brunetti winkte ihnen, die Männer griffen nach ihren Tatortkoffern und steuerten auf ihn zu. Als sie vor ihm standen, erkundigte sich Brunetti bei Santini, dem Teamleiter: »Wer kommt von der Rechtsmedizin?«
    Die gesamte Kriminaltechnik teilte Brunettis Vorliebe für Dottor Rizzardi, und so befleißigte sich Santini einer besonderen Betonung, als er antwortete: »Venturi« und den Titel bewußt unterschlug.
    »Ah«, meinte Brunetti, ehe er kehrtmachte und die Männer in den Hof führte. Die Leiche sei oben, sagte er und ging den anderen voraus in den dritten Stock und den Flur entlang bis zu der offenen Tür des Waschraums.
    Daß er Santini und seine Leute nicht hineinbegleitete, geschah nicht aus Sorge, etwaige Spuren am Tatort zu verwischen. Er wollte die Männer einfach in Ruhe arbeiten lassen und kehrte unterdessen in den Hof zurück.
    Dort fand er weder Pucetti noch die Kadetten. Letztere waren entweder im Unterricht oder oben auf ihren Zimmern: Im einen wie im anderen Fall hatten sie sich dem Zugriff der Polizei entzogen.
    Brunetti ging noch einmal zu Bembo hinauf und klopfte an der Tür. Als keine Antwort kam, klopfte er abermals und drückte dann probeweise auf die Klinke. Die Tür war verschlossen. Er klopfte noch einmal, doch drinnen regte sich nichts.
    Auf dem Weg zurück ins Treppenhaus öffnete Brunetti eine nach der anderen die Türen zum Flur und spähte in die dahinter liegenden Klassenzimmer: Im ersten waren die Wände mit Tabellen und Landkarten bedeckt, im nächsten zwei Tafeln mit Algebraformeln vollgeschrieben, und im dritten hing eine riesige Wandtafel, auf der sich ein Heer von Pfeilen und Linien zu einem komplizierten Diagramm zusammenfügte, wie man es aus Geschichtsbüchern zur Illustration von Truppenbewegungen oder Frontverläufen kennt.
    Dieser Plan hätte Brunetti, der im Lauf der Jahre schon etliche hundert Militärhistoriker gelesen hatte, normalerweise gewiß interessiert, doch heute schenkte er der Skizze nur einen flüchtigen Blick, bevor er die Tür wieder schloß. Dann stieg er hinauf in den dritten Stock, wo sich früher sehr wahrscheinlich die Dienstbotenkammern befunden hatten, und dort fand der Commissario endlich, was er suchte: die Schlafräume der Kadetten. Zumindest vermutete er das angesichts der nicht zu dicht aufeinanderfolgenden Türen, neben denen jeweils links ein Kärtchen mit zwei Nachnamen in einem adretten Plastikhalter steckte.
    Brunetti klopfte an die erste Tür. Keine Antwort. Ebensowenig bei der zweiten. Als er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher