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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde
Autoren: Donna Leon
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mit ›selbst tun‹, daß du das legale Procedere durchlaufen willst, oder... « - und nun wurde ihr Ton noch wärmer -, »...oder willst du auf unsere eigenen Freunde und Beziehungen zurückgreifen?«
    Brunetti lächelte, ein sicheres Zeichen, daß der Friede wiederhergestellt war. »Letzteres natürlich.«
    »Ah«, sagte sie, ebenfalls lächelnd, »dann sieht die Sache anders aus.« Ihr Lächeln wurde noch breiter, und schon war sie bei der Frage des Vorgehens. »Wen hätten wir denn da?« überlegte sie laut. Alle Gedanken an ihren Vater waren wie aus dem Zimmer gefegt.
    »Zunächst mal Rallo bei der Kulturgüterkommission.«
    »Dessen Sohn mit Drogen handelt?«
    »Einmal gehandelt hat«, korrigierte Brunetti.
    »Was hast du gemacht?«
    »Ihm einen Gefallen getan«, lautete Brunettis einzige Erklärung.
    Paola akzeptierte das und fragte nur: »Aber was hat die Kulturgüterkommission damit zu tun? Wurde dieses Stockwerk nicht erst nach dem Krieg gebaut?«
    »So hat Battistini es uns gesagt. Aber der untere Teil des Gebäudes steht unter Denkmalschutz, und er könnte von allem, was hier oben passiert, in Mitleidenschaft gezogen werden.«
    »Mhm«, pflichtete Paola ihm bei. »Wer noch?«
    »Da ist dieser Vetter von Vianello, der als Architekt bei der Stadt arbeitet, ich glaube, sogar bei der Stelle, die für Baugenehmigungen zuständig ist. Vianello soll ihn bitten, sich ein wenig umzuhören.«
    So saßen sie noch eine Weile beisammen und stellten eine Liste der Gefälligkeiten auf, die sie irgendwelchen Leuten irgendwann erwiesen hatten und jetzt vielleicht einzufordern gedachten. Es war schon fast Mittag, als sie ihre potentiellen Verbündeten endlich beisammen - und sich über deren jeweilige Nützlichkeit geeinigt hatten. Erst dann fragte Brunetti: »Hast du die moeche bekommen?«
    Worauf sich Paola, wie es ihre jahrzehntelange Gewohnheit war, an die unsichtbare dritte Person wandte, die sie bei den schlimmsten Tollheiten ihres Mannes immer als Zeugin anrief, und fragte: »Hast du das gehört? Wir sind hier in akuter Gefahr, unser Zuhause zu verlieren, und er denkt an nichts anderes als an frische Krabben.«
    »Ich denke sehr wohl noch an etwas anderes«, widersprach Brunetti gekränkt.
    »Woran denn?«
    »Risotto.«
    Die Kinder, die zum Mittagessen nach Hause kamen, erfuhren von der Lage der Dinge erst, nachdem die letzten Krabben den Weg alles Irdischen gegangen waren. Zuerst wollten sie das Ganze überhaupt nicht ernst nehmen. Als ihre Eltern sie schließlich überzeugen konnten, daß ihre Wohnung wirklich in Gefahr war, begannen sie sofort mit der Planung des Umzugs.
    »Können wir ein Haus mit Garten bekommen, damit ich einen Hund haben kann?« fragte Chiara. Als sie die Gesichter ihrer Eltern sah, schränkte sie ein: »Oder eine Katze?« Raffi zeigte kein Interesse an Haustieren und votierte statt dessen für ein zweites Badezimmer.
    »Wenn wir so was hätten, würdest du da wahrscheinlich einziehen und erst wieder rauskommen, wenn dir endlich dieser alberne Schnurrbart gewachsen ist«, meinte Chiara - es war das erste Mal, daß jemand in der Familie offiziell Kenntnis von jenem leichten Schatten nahm, der seit ein paar Wochen ganz allmählich unter der Nase ihres älteren Bruders sichtbar wurde.
    Paola fühlte sich zum Eingreifen genötigt, nicht ohne sich dabei ein wenig wie ein Blauhelm von der UN-Friedenstruppe vorzukommen. »Ich finde, das reicht jetzt von euch beiden. Die Sache ist kein Scherz, und ich kann es nicht mehr hören, daß ihr so darüber redet, als ob es einer wäre.«
    Die Kinder blickten zu ihr hin, und wie zwei Eulenjunge, die auf einem Ast hocken und abwarten, welcher von zwei nebenan sitzenden Raubvögeln zuerst zuschlagen wird, drehten sie gleichzeitig die Köpfe und sahen ihren Vater an. »Ihr habt ja gehört, was eure Mutter gesagt hat«, beschied dieser sie, und das war ein sicheres Zeichen für den Ernst der Lage.
    »Wir machen den Abwasch«, bot Chiara zur Versöhnung an, wohl wissend, daß sie damit sowieso an der Reihe war.
    Raffi rückte seinen Stuhl zurück und stand auf. Er nahm den Teller seiner Mutter, dann den seines Vaters sowie Chiaras, stellte sie auf seinen eigenen und trug den Stapel zur Spüle. Und noch erstaunlicher: Er drehte den Wasserhahn auf und schob die Ärmel seines Pullovers hoch.
    Wie zwei abergläubische Bauern im Angesicht des Göttlichen flüchteten Paola und Brunetti ins Wohnzimmer, aber nicht ohne sich vorher noch schnell eine Flasche Grappa und
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