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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig
Autoren: Donna Leon
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der direkten Anrede, oder vielleicht auch, weil er gehofft hatte, Brunetti sei nicht da oder schlafe, brauchte sein Chef, Vice-Questore Patta, einen Moment, bevor er antworten konnte. »Was ist das für eine Geschichte mit einem toten Amerikaner, Brunetti? Warum bin ich nicht informiert worden? Können Sie sich vorstellen, was das für den Tourismus bedeutet?«
    Brunetti vermutete, daß die dritte Frage die einzige war, die Patta wirklich interessierte. »Was für ein Amerikaner?« fragte Brunetti mit gespielter Neugier.
    »Der Amerikaner, den Sie heute morgen aus dem Wasser gezogen haben.«
    »Oh«, sagte Brunetti, diesmal die höfliche Überraschung selbst. »Ist der Bericht schon da? Dann war er also wirklich Amerikaner?«
    »Kommen Sie mir nicht so oberschlau, Brunetti«, sagte Patta ärgerlich. »Der Bericht ist noch nicht da, aber der Mann hatte amerikanisches Geld in der Tasche, also muß er Amerikaner sein.«
    »Oder Numismatiker«, erklärte Brunetti freundlich.
    Es folgte eine lange Pause, die Brunetti sagte, daß der ViceQuestore nicht wußte, was das hieß.
    »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mir nicht so oberschlau kommen, Brunetti. Wir gehen davon aus, daß er Amerikaner ist. Wir können es nicht brauchen, daß in dieser Stadt Amerikaner ermordet werden, wo es in diesem Jahr schon so schlimm um den Tourismus steht. Verstehen Sie das?«
    Brunetti verkniff sich die Gegenfrage, ob es denn in Ordnung sei, Menschen anderer Nationalitäten umzubringen - Albaner vielleicht? -, und sagte nur: »Ja, Vice-Questore.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Was haben Sie unternommen?«
    »Taucher untersuchen den Kanal an der Stelle, an der er gefunden wurde. Wenn wir wissen, wann er gestorben ist, lassen wir die Stellen untersuchen, von denen aus er abgetrieben sein konnte, ausgehend von der Annahme, daß er irgendwo anders getötet worden ist. Vianello überprüft die Drogenszene in der Umgebung, und das Labor arbeitet an den Sachen, die wir in seinen Taschen gefunden haben.«
    »Diese Münzen?«
    »Ich bin nicht sicher, ob wir uns vom Labor bestätigen lassen müssen, daß es amerikanische sind.«
    Nach einem langen Schweigen, das Brunetti anzeigte, wie wenig klug es wäre, seinen Vorgesetzten weiter auf die Schippe zu nehmen, fragte Patta: »Was ist mit Rizzardi?«
    »Er sagt, er schickt mir seinen Bericht heute nachmittag.«
    »Sorgen Sie dafür, daß ich eine Kopie bekomme«, befahl Patta.
    »Gut. Noch etwas?«
    »Nein, das ist alles.« Patta legte auf, und Brunetti widmete sich wieder seinen Beurteilungen.
    Als er sie fertig hatte, war es nach eins. Da er nicht wußte, wann Rizzardi ihn anrufen wurde, und den Bericht so rasch wie möglich haben wollte, beschloß er, zum Mittagessen weder nach Hause noch in ein Restaurant zu gehen, obwohl er nach dem langen Vormittag hungrig war. Statt dessen entschied er sich für ein paar tramezzini und ging zu der Bar am Ponte dei Greci.
    Als er das Lokal betrat, begrüßte ihn Arianna, die Besitzerin, mit Namen und stellte automatisch ein Weinglas vor ihn auf den Tresen. Orso, ihr alter deutscher Schäferhund, der im Lauf der Jahre eine besondere Zuneigung zu Brunetti entwickelt hatte, erhob sich arthritisch von seinem üblichen Platz neben der Eistruhe und tapste zu ihm hin. Er wartete, bis Brunetti ihm den Kopf getätschelt und ihn sanft an den Ohren gezaust hatte, dann ließ er sich zu seinen Füßen nieder. Die vielen Stammkunden der Bar waren daran gewohnt, über Orso hinwegzusteigen und ihm kleine Bissen zuzuwerfen. Er hatte eine besondere Vorliebe für Spargel.
    »Welche hätten Sie gern, Guido?« fragte Arianna, womit sie die tramezzini meinte, und goß dabei unaufgefordert Rotwein in sein Glas.
    »Ich hätte gern eines mit Schinken und Artischocken, und eines mit Shrimps.« Zu seinen Füßen begann Orsos Schwanz wie ein Ventilator gegen sein Fußgelenk zu wedeln. »Und eins mit Spargel.« Als die Sandwichs kamen, bat er um ein weiteres Glas Wein und trank langsam, während er daran dachte, wie sich die Dinge komplizieren würden, wenn der Tote tatsachlich ein Amerikaner war. Er wußte nicht, ob es Probleme wegen der Zuständigkeit geben würde, und beschloß, darüber nicht nachzudenken.
    Als wollte sie genau das verhindern, sagte Arianna: »Schlimm, das mit dem Amerikaner.«
    »Wir sind nicht sicher, ob es einer ist, noch nicht.«
    »Also, wenn es einer ist, schreit garantiert bald einer ›Terrorismus!‹, und das ist für keinen gut.« Obwohl sie gebürtige Jugoslawin
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