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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Gesicht enthielt gleich einem Spiegel aus Honig und
Blattgold, hüllte sie Rodraeg wie in eine warm pulsierende Decke. In dieser vom
Zepter der Riesen magisch gewobenen Decke wurde Rodraeg umstrahlt von seinen
Erinnerungen an Naenn, wie sie die Kapuze zurückgestreift hatte in seiner
Schreibstube in Kuellen, wie sie mit ihm unter der Wachsplane gesessen hatte
auf dem Wagen des Händlers Hinnis im strömenden Regen, wie sie und er allein
unter dem Sternenzelt geschlafen hatten auf dem Weg nach Aldava, in der letzten
Nacht, in der sie noch unberührt gewesen war, wie sie ihm ihren Garten gezeigt
hatte, verwirrt und gereizt von dem bevorstehenden Geständnis ihrer
Schwangerschaft, und – ganz zuletzt – wie sie ihm im Badehaus, erhitzt und
eigentümlich erregt, ihren Rücken entblößt hatte mit den viel zu kleinen
Schwingen, rötlich mit hellblauen Rändern. Aus einem matten, todesähnlichen
Zustand ging Rodraeg über in einen regelmäßig durchatmeten Schlaf, der tiefer
war als ein gewöhnlicher. Aber ihnen allen war klar, daß die vielen
Bewußtlosigkeiten, die erst die Schwarzwachsvergiftung und nun auch die
Pfeilwunde Rodraegs Leib aufgenötigt hatten, auf Dauer nicht gut sein konnten
für ihn. Deshalb schafften Bestar und Cajin eins der Betten aus dem noch nie
benutzten Gästezimmer in Naenns hellen Wohnraum und legten Rodraeg dort hinein.
Und nachdem zwei Tage lang keine Besserung und kein Erwachen eingetreten waren,
und das Licht der Erinnerungen verloschen und vergangen war zu einem milden
Nachhall von Wildrosenwärme, holte Cajin die beiden Fremden zu Hilfe.
    Zuerst war da Hebezie, eine junge Heleleschwester aus dem Haus der
Siechen. Sie war die naheliegendste Wahl, weil die Heleleschwestern sich mit
Heilung auskannten und das Betreuen von Kranken tagtäglich mit Sorgfalt
betrieben. Hebezie war eine noch junge Frau mit Haaren, die einen leicht
silbernen Schimmer aufwiesen, genau wie ihr Gewand. Sie untersuchte Rodraeg von
Kopf bis Fuß und stellte dann fest, daß Rodraegs Körper »ganz seltsam« sei,
»wie der eines Neugeborenen so zart und unversehrt«. Bis auf die schreckliche
Pfeilwunde natürlich. Naenn und Eljazokad drucksten herum, ja, mit Magie sei
der Verwundete in letzter Zeit mehrmals in Berührung gekommen, und
möglicherweise sei sein Körper dadurch verändert worden. Hebezie versuchte
darauf zu drängen, daß Rodraeg in das Helelehaus im Nordosten der Stadt
verbracht würde, weil man ihn dort besser umsorgen und beobachten könne. Doch
Naenn, die schon beunruhigt genug war über das, was Rodraegs Leib über seine
bisherigen Abenteuer beim Mammut verriet, entschied
sich dagegen. Statt dessen sollte Hebezie zweimal täglich vorbeikommen und nach
dem Rechten sehen.
    Einen Tag ging das gut so. Hebezie schäkerte mit Eljazokad. Naenn
hielt während der Untersuchungen Rodraegs Hand. Bestar und Cajin standen sich
gegenseitig eifrig im Weg herum. Dann bestand Hebezie darauf, einen
Spezialisten heranzuziehen, zu dessen Fähigkeiten die Heleleschwestern vollstes
Vertrauen hatten: Samistien Breklaris. So kam der zweite Fremde ins Haus des Mammuts .
    Samistien Breklaris, der unweit des Marktes einen Laden für Kräuter & Drogen führte, erkannte Rodraeg sofort
wieder. Vor wenigen Monden war Rodraeg bei ihm gewesen, um Pastillen gegen
seinen schrecklichen Reizhusten zu erstehen. Schon damals war Rodraeg dem
Kräuterfachmann etwas zerstreut und verrätselt vorgekommen. Nun lag er vor ihm,
alle Anzeichen eines Hustens waren verschwunden, dafür hatte er einen Herzschuß
erlitten, der für jeden normalen Menschen tödlich gewesen wäre, lebte aber
weiter in der magischen Obhut eines hochschwangeren, menschenscheuen
Schmetterlingsmädchens. Breklaris, ein hagerer, vollbärtiger Südländer mit
mürrischem Gesichtsausdruck und einem federgeschmückten hohen Hut, empfahl
Rodraegs geschwächtem Leib reichlich Flüssigkeitszufuhr, Schachtelhalmsuppe
sowie Einreibungen mit einer Essenz aus Rosmarinnadeln, Minzeblättern und
Lavendelblüten, welche die tiefreichende Ohnmacht langsam angehen und auflösen
sollten. Dann sagte er aber: »Ansonsten habe ich den Eindruck, daß es in erster
Linie unterschiedliche Formen von Magie waren, die den Körper dieses Mannes
aufgeladen haben, bis er einen Pfeil anzog wie ein magnetischer Stein oder ein
Licht in der Nacht einen verirrten
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