Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See
Autoren: Flammendes Herz
Vom Netzwerk:
Antiquitätenjägers, auf dessen Abenteuern ihre Geschichten basierten … ein Mann, den Yasmeen kürzlich getötet hatte.
    Obendrein hatte Yasmeen den Vater dieser Frau getötet und sein Luftschiff übernommen, die heutige Lady Corsair . Das war allerdings schon eine Weile her, und niemand, nicht einmal seine Tochter, hätte Emmerich Gunther-Baptiste als charmant bezeichnet. Yasmeen war Zenobia Fox schon einmal begegnet, allerdings hatte die Kleine damals noch Geraldine Gunther-Baptiste geheißen. Als Mitglied der Söldnermannschaft an Bord von Gunther-Baptistes Himmelsstürmer hatte Yasmeen damals zugesehen, wie ein Mädchen mit mausbraunen Zöpfen seinem Vater vom Kai aus zum Abschied unbeholfen gewunken hatte. Neben Zenobia hatte ihre blasse und verhärmt wirkende Mutter gestanden.
    Weder sie noch ihre Mutter hatten den Eindruck gemacht, dass sie seine Abreise bedauerten.
    Ob es Zenobia bedauern würde, dass ihr Bruder tot war? Yasmeen hatte keine Ahnung, doch es versprach eine unterhaltsame Begegnung zu werden. So sehr hatte sie sich schon nicht mehr darauf gefreut, jemanden kennenzulernen, seit Archimedes Fox zum ersten Mal das Deck der Lady Corsair betreten und sie noch nicht gewusst hatte, dass er in Wirklichkeit Wolfram Gunther-Baptiste war. Hoffentlich endete ihre Bekanntschaft mit seiner Schwester nicht genauso.
    Zu ihrer Linken war ein vertrautes Grunzen zu hören. Der Steuermann der Lady Corsair stand an der Backbordreling und konsultierte eine handgezeichnete Karte, bevor er seinen Blick verächtlich über die Stadt schweifen ließ.
    Yasmeen klemmte sich den Schal unters Kinn, damit die schwere Wolle nicht ihre Stimme dämpfte. »Gibt es ein Problem, Monsieur Rousseau?«
    Rousseau schob seinen gestreiften Schal vom Mund weg, und ein gestutzter schwarzer Bart kam zum Vorschein. Er deutete mit behandschuhten Fingern zu den Häuserreihen hinunter, die sich allein durch ihren Anstrich voneinander unterschieden. »Bloß dass sie alle genau gleich aussehen, Captain. Aber das ist kein Problem. Ist bloß lästig.«
    Yasmeen nickte. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Rousseau in der Lage war, das Haus zu finden. So hoffnungslos ihr Steuermann auch mit dem Schwert oder der Pistole war, er konnte die primitivsten Karten interpretieren, als wären sie von ausgebildeten Kartografen gezeichnet worden. Diese Fähigkeit, kombiniert mit seinen ausdrucksvollen Grunzlauten und Augenbrauen, die einen Haufen Luftschiffer wortlos disziplinieren oder loben konnten, sowie einer dröhnenden Stimme für den Fall, dass doch einmal Worte vonnöten waren, machte ihn zum wertvollsten Mitglied ihrer Crew. Eine erkleckliche Anzahl Aufträge, die Yasmeen in Europa ausführte, erforderte es, die Lady Corsair mittels vage erinnerter Geländebeschaffenheit und Landmarken zu navigieren. An historische Karten des Kontinents war leicht heranzukommen, doch ihre Einzelheiten mit den überwucherten Ruinen der heutigen Zeit in Deckung zu bringen, verlangte eine gänzlich andere Fähigkeit – diejenige nämlich, aus der Geschichte der jahrhundertelangen Besatzungszeit seine Schlüsse zu ziehen.
    Hier gab es zwar keine Ruinen, doch auch die gleichförmigen Häuserreihen von Fladstrand erzählten eine Geschichte, und die kannte Yasmeen schon von anderen Küstenorten Skandinaviens her.
    In einem ihrer Abenteuerromane hatte Zenobia Fox geschrieben, dass sich der Wert eines Gemeinwesens daran abschätzen ließ, wie lange es dauerte, einen Aufrührer von der Straße zum Galgen zu befördern. Diese Bemerkung war vielleicht auf die Geschichte ihrer dänischen Wahlheimat zurückzuführen; wenige Jahrhunderte zuvor war diese Zeit nicht sehr lang gewesen. Bald nachdem die Kriegsmaschinen der Horde den Habsburgwall durchbrochen hatten, hatten ihre Krieger eine Zombieseuche freigesetzt, die der Horde noch vorauseilte, und aus Osteuropa waren keine vereinzelten Flüchtlingstrecks mehr gekommen, sondern ganze Ströme. Wer über die entsprechenden Mittel verfügte, buchte eine Schiffspassage in die Neue Welt, aber alle ohne die entsprechenden Mittel oder Verbindungen zogen nordwärts und schoben sich immer weiter die Jütland-Halbinsel hinauf, bis sie sich auf der Spitze drängten. Einige flohen über das Meer nach Norwegen und Schweden; andere versuchten, sich eine Passage zu den dänischen Inseln zu erkaufen. Diejenigen Flüchtlinge, die zurückblieben, bauten Reihen von Hütten und warteten, dass die Horde und die Zombies kamen.
    Beide waren nie gekommen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher