Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Briefe aus dem Gefaengnis

Briefe aus dem Gefaengnis

Titel: Briefe aus dem Gefaengnis
Autoren: Michail Chodorkowski
Vom Netzwerk:
Tochter durch die Muttergesellschaft Diebstahl ist, nämlich die Beschlagnahmung von Besitz ohne eine Gegenleistung – selbiges gilt im Fall des Abzugs durch Anteilseigner.
– Dass die Tatsache, dass ein Produzent Profite in Milliardenhöhe erhält, das »Nicht-Erfolgen einer Geldzahlung« bestätigt.
– Dass der »korrekte« Preis für Öl auf den Feldern Sibiriens dem in Rotterdam entspricht, ungeachtet der noch hinzukommenden Zölle und Transportkosten.
    Alle »Überlegungen« des Gerichts finden sich auf meiner Website. Dazu gehören auch folgende Hinweise:
    »Aussagen darüber, ob das Öl Eigentum der OAO NK YUKOS war, werden in der Entscheidung des Wirtschaftsgerichtshofes nicht getroffen… Aus der Entscheidung des
Wirtschaftsgerichtshofes folgt, dass der Eigentümer des Öls OAO NK YUKOS war …«
    Ich kann das nur noch als pseudolegale Teufelei bezeichnen.
    Oder: »… die Schuld der Angeklagten ( im Prozess über Öldiebstahl ) wird durch die Tatsache, dass diese aktiv am Aufbau der vertikal-integrierten Struktur von OAO NK YUKOS beteiligt waren, bestätigt«; »die Angeklagten … verschleierten den begangenen Diebstahl … durch die Auszahlung von Dividenden ( an die Anteilseigner )«; »Die Steigerung der Produktionsvolumina bei YUKOS ( dies bestätigt der Anklagepunkt, demzufolge … ) … entsprach den geldgierigen Hoffnungen, noch mehr Profit zu machen.«
    Während also die Führung dieses Landes Investoren einlädt und ihnen optimale Bedingungen verspricht, erklären russische Gerichte ansteigende Produktionsvolumina, die Erarbeitung von Profiten und die Ausschüttung von Dividenden zu Beweisen für kriminelle Aktivitäten.
    Doch letztendlich ist Dmitri Medwedew selbst Zivilrechtler, er hat einen Hochschulabschluss und um sich herum eine ausreichende Anzahl von Spezialisten, die Hunderte von Seiten offensichtlicher und demonstrativer Ketzerei wider das Gesetz analysieren können – falls denn überhaupt ein Interesse daran bestehen sollte.
    Etwas ganz anderes aber ist wichtig: Was vor dem Chamownitscheski-Gericht geschah, ist keine Ausnahme, sondern vielmehr das anschaulichste und wohl bekannteste Beispiel für die russische Praxis der Erpressung, der ungesetzlichen Neuverteilung von Besitz und der Verfolgung unerwünschter Personen mithilfe einer fingierten Gerichtsbarkeit.

    Dieses absolut schamlose Urteil in einem öffentlichen Prozess von internationaler Bedeutung, dem jede Glaubwürdigkeit abgeht, der aber von offensichtlich außergesetzmäßigen Zielsetzungen beeinflusst wird, dazu ein barbarisches Urteil, 14 Jahre, sind all diese Punkte nicht eine unmissverständliche Botschaft für diese »Bruderschaft der Amtsträger«, dass von jetzt an alles möglich ist?
    Es wäre falsch, der Welt oder sich selbst einzureden, der Fall Jukos sei eine Ausnahme (das einzig Besondere war lediglich das Ausmaß des Debakels). Unser Gerichtssystem, das seine Unabhängigkeit und das Verbot der Einflussnahme von außen beschwört, spuckt auf jedes lästige Gesetz. Und selbst wenn sie Sie nicht einsperren – die Kosten für ein »Dach«, das angesichts der Ermangelung juristischen Schutzes notwendig geworden ist, werden zweifellos weiter steigen. Und was die Menschenwürde angeht – an die denken wir am besten gar nicht erst.
    Rechenschaftspflicht nur gegenüber den Vorgesetzten bei gleichzeitiger Nichtbefolgung von Gesetzen sind Merkmale und Werkzeuge der Ungesetzlichkeit – um den Preis politischer Passivität und der Unterwürfigkeit von Bürokraten erkauft. Unter solchen Bedingungen ist es verständlich, dass Russland so attraktiv für Opportunisten und Langfinger ist. Doch wie könnte man ernsthafte Investoren oder weltgewandte Intellektuelle, die international alle Möglichkeiten haben, anziehen und halten? Mit einer Vervielfachung der Gewinnspannen? Mit persönlichen Garantien des Ministerpräsidenten? Sind das die modernen Mittel des 21. Jahrhunderts?
    Was mich persönlich anbelangt, wurde der erste Prozess bereits als »diskriminierende« und »ungewöhnliche«
Rechtsanwendung bezeichnet. Der zweite Fall ist nicht nur völlig absurd, sondern widerspricht dem ersten auch unmittelbar – was für jedermann offensichtlich ist. Verrückten Urteilen mit dem Ziel, jemanden im Gefängnis zu halten, sind nur durch die Phantasie der Beamten Grenzen gesetzt – und durch die Wünsche ihrer Vorgesetzten.
    Ich weiß – Viktor Danilkin, der Richter am Chamownitscheski-Gericht, ist kein bisschen verrückt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher