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Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Crossan
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Aufschlag.
    Wir fahren herum. »Jazz?«
    Sie ist verschwunden.
    Ein Wimpernschlag und Quinn rennt los, ich weit abgeschlagen hinterher. Dann bleibt er stehen, blickt verzweifelt um sich und brüllt nach Jazz. »Hier war sie, genau hier«, sagt er, als ich ihn einhole.
    Stille.
    Im Zickzack wandern wir die Schienen ab und halten erst vor einem mit alten Plastikresten gespickten Stacheldrahtzaun wieder an, hinter dem alte Bahnwaggons vor sich hin rosten. Vorsichtig nähern wir uns dem Tunnel, rufen Jazz’ Namen in die Dämmerung. Nach all dem Horror der letzten Zeit müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.
    Ich zupfe mir ein rotes Haar vom Mantel und lasse es zu Boden schweben. »Komm, wir teilen uns auf. Dann finden wir sie schneller.«
    »Damit wir uns dann verlieren? Vergiss es.« Er nimmt mich bei der Hand und wir spähen in den Tunnel, ohne ihn zu betreten. Das Licht am Ende ist kaum mehr als ein grauer Halbkreis.
    »Hast du eine Taschenlampe?«, flüstere ich, damit es nicht hallt.
    »Gar nichts hab ich.« Er seufzt und ich berühre mit meinem Handschuh sein Haar.
    »Du hast mich. Und zusammen finden wir auch Jazz wieder.« Ich blicke noch mal in den Tunnel. »Aber da drinnen ist sie auf keinen Fall. So weit vorne war sie nicht. Gehen wir zurück.«
    Er hält sich einen Finger ans Ohr. »Was war das?«,fragt er. Doch obwohl ich ganz leise bin, höre ich nichts bis auf meinen Atem und das schwache Gurgeln der Atemgeräte.
    Quinn macht kehrt und sprintet die Schienen entlang.
    »Pass bloß auf!« Ich laufe ihm hinterher. Quinn stolpert und breitet die Arme weit aus, um nicht hinzufallen. Als ich bei ihm ankomme, sehe ich, wo er beinahe hineingestürzt wäre. Ein Loch.
    Ein Kanalschacht, halb bedeckt mit einer schweren Metallscheibe. Quinn packt die eine, ich die andere Seite. Auf drei wuchten wir den Gullydeckel aus dem Weg und lassen ihn scheppernd zu Boden fallen. Und da ist sie, ein paar Meter weiter unten. »Wie lang soll ich hier denn noch brüllen?«, stöhnt Jazz.
    »Wir konnten dich nicht hören. Aber jetzt sind wir ja da«, beruhige ich sie. Ich schwinge die Beine in den Schacht.
    »Soll das ein Scherz sein?« Quinn zerrt mich zurück.
    »Da kann man locker runterspringen«, stelle ich klar. Er schnaubt nur. Ich schüttle ihn ab und schäme mich ein bisschen für meinen eisigen Blick. Er will ja nur nicht, dass mir was passiert.
    » Ich springe«, verkündet er. Er setzt sich an den Rand und lässt sich dann ganz vorsichtig hinuntergleiten, um nicht noch auf Jazz zu landen. Dann richtet er ihr die Maske, damit sie besser atmen kann. »Ich heb sie hoch und du ziehst.«
    Jazz’ geschundenes Gesicht erscheint in der Öffnung. Ich setze mich in den Schnee, packe sie unter den Achselhöhlen und lehne mich zurück, um sie mit meinem ganzenGewicht nach draußen zu hieven. Dabei wimmert sie pausenlos.
    »Jetzt mich«, ruft Quinn. Ich streichle Jazz über die Stirn, bette sie auf dem gefrorenen Boden und beuge mich über das Loch. Quinn reckt mir die Arme entgegen. Doch sosehr ich mich auch ins Zeug lege, er ist ein ganz anderes Kaliber als Jazz und einfach viel zu schwer für mich.
    Hinter meinen Schläfen beginnt es zu pochen. »Ich schaff’s nicht.« Ich breche neben dem Loch zusammen. Wie ich solche Eingeständnisse hasse, selbst wenn es nur Quinn gegenüber ist. »Wir müssen irgendwas für dich zum Draufstellen finden.« Schwach mag ich sein, aber wenigstens nicht blöd.
    Ich haste zu dem Zugwrack zu meiner Rechten. Als ich reinklettere, gibt der Boden unter mir nach. Ich halte mich an einem rostigen, an der Wand montierten Feuerlöscher fest und krieche tiefer hinein. Die meisten Sitze sind schon rausgerissen oder aufgefetzt, die grünliche Schaumfüllung über den Boden verteilt. Nur zwei Sitze sind unversehrt. Ich schließe die Augen, doch keine Chance: Die verblichenen Knochen habe ich schon gesehen, die Überreste eines kleinen und eines bedeutend größeren Menschen. Und daneben auf dem Boden liegen zwei Schädel. Ein großer, ein kleiner. Und ein Messer.
    Wahrscheinlich haben sie sich selbst das Leben genommen. Ein Schnitt in den Hals, mehr braucht es nicht. Aus dem Geschichtsunterricht weiß ich, dass die Leute während des Switchs weitaus Schlimmeres getan habenin ihrem verzweifelten Hunger nach Sauerstoff und Nahrung obendrein. Aber wer waren sie? Ein Kind mit seiner Mutter, seinem Vater? Keiner wird’s je erfahren. Zwei Leben, einfach so aus der Geschichte getilgt, als hätten sie null
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