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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
Autoren: Berte Bratt
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zu machen.
    Georg fragte, wie es mir ginge. Ich erzählte ihm, ich hätte nun in Norwegen festen Wohnsitz genommen und verdiente mir meinen Unterhalt als Übersetzerin. Außerdem hätte ich eine Leibrente, die ich für meine Erbschaft gekauft hatte.
    „Und was machst du, Georg?“
    „Ich – – – “ antwortete er zögernd. „Ach, von mir gibt es nicht viel zu erzählen. Lisbeth und ich sind ja nun allein, aber wir kommen ganz gut zurecht – “
    „Wir haben nämlich keine Mutter mehr“, fügte Lisbeth erklärend hinzu. „Mutter starb, als ich noch klein war.“
    „Aber wer sorgt denn da für dich, Lisbeth?“ fragte ich. Ich hatte den Eindruck, daß sie mitteilsamer war als ihr Vater.
    „Wir machen alles allein. Vater kocht das Essen, und ich decke den Tisch. Und wenn wir gegessen haben, wäscht Vater das Geschirr, und ich trockne ab. Vater wäscht auch den Fußboden, aber ich wische Staub. Wir wollen uns von niemandem helfen lassen, weißt du, denn wir finden, es ist – “ sie suchte nach einem passenden Wort – „es ist eine Ehrensache, daß wir allein zurechtkommen.“
    Ich mußte lächeln. Sie sah ganz allerliebst aus, als sie mit altkluger Miene zu sagen versuchte, was ihr Vater ihr erklärt hatte. Georges eingefallene Wangen röteten sich.
    „Du kannst dir ja denken, es war nicht ganz leicht, als meine Frau starb. Wir wollten so ungern einen fremden Menschen im Hause haben. Eine Haushälterin kostet auch viel Geld. So probierten wir also, ohne fremde Hilfe auszukommen – und jetzt geht es ganz gut. Auch wenn wir es könnten, möchten wir es jetzt nicht anders haben.“
    „Nein“, bestätigte Lisbeth. „Denn jetzt können wir alles genauso machen, wie wir selber es haben wollen. Und wenn es auch manchmal etwas viel Arbeit macht, so ist es doch schön, sein eigener Herr zu sein. Das meinen wir beide.“
    Kleine altkluge Lisbeth! Ich fing an, einen Georg zu ahnen, den ich nicht kannte: einen Georg, der sich einem einzigen Menschen rückhaltlos erschlossen hatte. Und dieser eine Mensch war ein siebenjähriges Mädchen mit braunen Augen und mit einer Zelluloidspange im Haar….
    Dann erzählte Georg stockend und bruchstückweise, wie er ziemlich hilflos gewesen sei, als er seine Frau verloren hatte. Zu dem Kummer kamen noch die vielen Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Der geringe Lohn, den er als Verkäufer in einer Eisenwarenhandlung bekam, erlaubte ihm sicherlich nicht, sich eine Haushälterin zu leisten. Es blieb ihm daher nichts weiter übrig, als selber den Haushalt zu führen, Lisbeth am Morgen in einen Kindergarten zu bringen und sie am Nachmittag wieder von dort abzuholen. Mit der Zeit ging es besser. Lisbeth bedeutete für ihn wirklich eine große Hilfe, so klein sie noch war. Und zum Herbst sollte sie in die Schule kommen.
    Ich fragte, wo sie wohnten.
    Er nannte den Namen der Straße. Ich kannte sie nicht.
    „In Grünerlökken“, erklärte Lisbeth.
    „Ach so“, sagte ich. Ich war in diesem Stadtteil nie gewesen. Aber ich sagte das nicht. Denn ich wollte um keinen Preis, daß Lisbeth und ihr Vater glauben sollten, ich hielte mich für zu fein, um einen so wenig vornehmen Stadtteil zu kennen.
    Plötzlich fiel mir ein, daß Lisbeth und ich etwas gemeinsam hatten – etwas, was von allergrößter Bedeutung ist und das Leben eines Menschen entscheidend beeinflußt.
    „Du, Lisbeth“, sagte ich. „Denke dir: als ich klein war, ging es mir genauso wie dir. Auch mein Vater und ich hielten immer fest zusammen, und wir waren sehr gute Freunde. Ich habe meine Mutter schon verloren, als ich eben erst geboren war.“
    Lisbeth blickte mich ernst an:
    „Wo ist dein Vater denn jetzt?“
    „Er lebt auch nicht mehr.“
    „Dann bist du also ganz allein und hast niemanden?“
    „Jedenfalls niemanden, den ich wirklich sehr lieb habe.“
    Plötzlich war mir, als wäre ein großer Kloß in meinem Halse steckengeblieben. Und das hatte zwei Ursachen. Die eine war, daß es mir in diesem Augenblick zum erstenmal richtig aufging, wie einsam ich tatsächlich war. Es gab nicht einen einzigen Menschen, der wirklich an mir hing. Starb ich, so würde Anne-Grete sich wohl eine Träne aus dem Auge wischen. Tante Helga auch. Aber niemand auf der ganzen Welt würde mich warhaft betrauern, niemand würde mich vermissen. Denn es gab nicht einen einzigen Menschen, für den es von entscheidender Bedeutung gewesen wäre, ob ich auf dieser Welt war oder nicht.
    Die andere Ursache war eine warme kleine Hand, die
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