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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd
Autoren: Patricia Cornwell
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den Vereinigten Staaten begonnen, hauptsächlich im äußersten Westen, in entlegenen Gebieten Utahs, Nevadas, Montanas und Washingtons, und einmal hatte er in Natches, Mississippi, zugeschlagen, und das erklärte einiges, insbesondere wenn ich mir ins Gedächtnis rief, was Carrie in ihrem Brief geschrieben hatte. Sie hatte eine merkwürdige Anspielung auf zersägte Knochen gemacht.
    »Die Torsos«, sagte ich, während mich die Erkenntnis durchzuckte wie ein Blitzstrahl. »Die ungelösten Verstümmelungsfälle in Irland. Und dann war er acht Jahre lang ruhig, weil er im entlegensten Westen gemordet hat und die Leichen niemals gefunden oder jedenfalls niemals zentral erfasst wurden. Sodass wir nichts von ihnen wussten. Er hat niemals aufgehört, und dann ist er nach Virginia gekommen, wo er sich endgültig meine Aufmerksamkeit gesichert und mich fast zur Verzweiflun g getrieben hat.«
    Es war im Jahr 1995 gewesen, als zwei Torsos aufgetaucht waren; der erste nahe Virginia Beach, der nächste in Norfolk. Im darauf folgenden Jahr waren es noch zwei mehr geworden, diesmal im Westteil des Staates, der eine in Lynchburg, der andere in Blacksburg ganz in der Nähe vom Campus der Technischen Hochschule. Im Jahr 1997 schien Joyce dann verstummt zu sein, und ich vermutete, dass er sich zu der Zeit mit Carrie zusammengetan hatte.
    Die Verstümmelungen erregten inzwischen ungeheures Aufsehen, denn bislang waren nur zwei der gliedlosen, kopflosen Leichen mithilfe von Röntgenbildern identifiziert worden, die mit früheren Röntgenaufnahmen Vermisster übereinstimmten, beide Male von Collegestudenten. Es waren meine Fälle gewesen, ich hatte ihretwegen einen gewaltigen Lärm geschlagen, und das FBI war hinzugezogen worden.
    Jetzt erkannte ich, dass Joyce' ursprüngliche Absicht nicht nur darin bestanden hatte, die Identifizierung unmöglich zu machen, sondern, und das war der wichtigere Gesichtspunkt, zugleich, die Verstümmelung der Leichen zu verbergen. Wir sollten nicht wissen, dass er den Opfern ihre Schönheit nahm, sie als Personen gesichtslos zu machen versuchte, indem er sich mit dem Messer über ihre Gesichter hermachte und sie seiner Tiefkühlkollektion einverleibte. Vielleicht hatte er ja befürchtet, dass zusätzliche Verstümmelungen die Jagd nach ihm allzu sehr ausweiten würden, also hatte er seinen Modus operandi geändert und war dazu übergegangen, Feuer zu legen, oder vielleicht hatte auch Carrie ihn dazu angeregt. Ich konnte nur annehmen, dass die beiden irgendwie im Internet zueinander gefunden hatten.
    »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Marino nun.
    Er hatte sich ein wenig beruhigt und sich überwunden, Joyce' Päckchen selbst durchzusehen.
    »Wie hat er die bloß hierher geschafft?«, fragte er. »Den weiten Weg von England und Irland? Von Venice Beach und Salt Lake City?«
    »Trockeneis«, sagte ich einfach nur und blickte auf die Kamerakoffer und Styroporboxen. »Wenn er sie gut eingepackt hat, konnte er sie durch die Gepäckkontrolle bekommen, ohne dass irgendjemand etwas gemerkt hat.«
    Die weitere Durchsuchung von Joyce' Haus förderte noch mehr belastendes Material zu Tage. Der Durchsuchungsbefehl hatte Magnesiumfeueranzünder, Messer und Leichenteile aufgelistet, und das gab der Polizei das Recht, Schubladen zu durchwühlen und sogar Wände rauszureißen, wenn es ihr gefiel. Während ein Gerichtsmediziner aus der Stadt den Gefrierschrank leerte, um seinen Inhalt ins Leichenschauhaus zu transportieren, wurden Schränke durchsucht und ein Safe aufgebohrt. Darin befanden sich ausländische Währungen und unzählige Fotos von Hunderten von Personen, die das Glück gehabt hatten, nicht als Leichen zu enden.
    Es gab außerdem Fotos von Joyce selbst, so nahmen wir an, der auf dem Pilotensitz seines Schweizer saß oder mit verschränkten Armen davor stand. Ich starrte sein Bild an und ließ es auf mich wirken. Er war ein kleiner, zierlicher, braunhaariger Mann, der sogar gut ausgesehen hätte, wenn er nicht durch schreckliche Pockennarben entstellt gewesen wäre.
    Seine Haut war bis zum Halsansatz und bis in den geöffneten Hemdkragen hinein von Narben übersät, und ich mochte mir gar nicht ausmalen, welche Scham der Heranwachsende empfunden haben und welchem Spott er seitens seiner Altersgenossen ausgesetzt gewesen sei n musste. Ich hatte als Jugendliche selbst junge Männer wie ihn gekannt, die entweder von Geburt oder durch Krankheit entstellt waren und denen die normalen Vergnügungen ihres
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