Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
Vom Netzwerk:
noch einmal das Bild von Reise, Schiff und Hafen, während die Trauergemeinde möglichst unauffällig von einem Bein auf das andere trat, weil die Kälte sich schnell ins Schuhwerk für besondere Anlässe fraß.
    Schließlich wurden die Bretter fortgezogen, auf denen der Sarg stand, und die Lilien verschwanden zitternd in der Grube. Rohrbach trat als Erster vor, warf eine Hand voll Erde zwischen die Blüten und trat zurück, um sich kondolieren zu lassen, bevor die Prozession zum gemütlichen Teil des Tages aufbrach.
    In der Fischerklause wurde dafür bestens gesorgt.
    Kaffee und Kuchen. Belegte Brote natürlich. Genug Schnaps, um auch größere Felle als das des alten Rohrbach zu versaufen.
    Gemocht, nein, gemocht hatte ihn eigentlich niemand. Aber respektiert.
    Jawohl.
    Wie man früher überhaupt mehr Respekt gehabt hatte.
    Genau.
    Erst recht vor einem, der noch wusste, wie man mit einem Rohrstock umging.
    Allerdings.
    »Genau genommen, war er ein verdammter Sadist«, sagte Baring dumpf. Dabei sah er sich um, als könnte
jemand kommen und ihn am Ohr von seinem Stuhl ziehen.
    »Wie man’s nimmt«, erwiderte Ehmke. »Immer noch besser als ein Weichei, dem die Gören auf der Nase rumtanzen, wie’s ihnen passt.«
    Obwohl Ehmke ihn nicht ansah, wusste Rohrbach, dass von ihm die Rede war. Niemand sonst im Raum stand im Ruf, sich von eigenen oder fremden Gören auf der Nase herumtanzen zu lassen.
    Möhle sah das genauso. Eine Tracht Prügel aus gegebenem Anlass hatte jedenfalls noch keinem geschadet. Er war im Begriff, seine eindrucksvollsten Erfahrungen in dieser Hinsicht zu schildern, als die Tür aufging und seine Frau in die Gaststube trat. Sie hatte die Kinder dabei, das ältere an der Hand, das jüngere auf dem Arm. Beide schrien wie am Spieß.
    Die Gespräche an den Tischen brachen ab, und wer mit dem Rücken zur Tür saß, drehte sich um. Man wusste, die Möhles gerieten sich schnell in die Haare. Besonders wenn sie versuchte, ihn aus der Kneipe zu holen, bevor er sich besoff. Und so wie sie auf ihn zustürmte, sah es genau danach aus.
    Auch Möhle schien das zu vermuten. Er schob wütend seinen Stuhl zurück und stand auf.
    »Was ist los?« Er machte keine Anstalten, seine Kinder zu beruhigen.
    »Du musst kommen«, sagte sie und wirkte alles andere als zänkisch. »Es war ein Mann da, der …«
    »Was für ein Mann?«, unterbrach Möhle sie unwirsch.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich habe ihn noch nie gesehen.« Sie setzte das Kind ab und drückte sich die Hände in den Rücken. »Er wollte zu dir, aber ich habe ihn nicht ins Haus gelassen, weil er …«
    »Setz dich doch erst mal hin.« Ehmke war aufgestanden und legte Möhles Frau den Arm um die Schultern.
    Ehmke in seiner Paraderolle, dachte Rohrbach. Der Retter mit der starken Schulter, der Hüter von Ruhe und Ordnung.
    Was für ein Witz.
    Niemand bemerkte, dass Rohrbach lächelte. Alle Blicke waren auf Möhles Frau gerichtet, die eine Hand auf ihren gewölbten Bauch gelegt und zu weinen begonnen hatte.
    Ehmke wartete, bis sie sich beruhigt hatte, dann ließ er sie erzählen, was passiert war.
    Als es klingelte, war sie oben im Kinderzimmer gewesen und hatte eine Weile gebraucht, um die Treppe hinunterzukommen. Im Nachhinein war es ein Glück, dass sie sich Zeit gelassen hatte, denn sonst hätte sie diesem Mann womöglich die Tür geöffnet, bevor sie … bevor er …
    Möhles Frau legte auch die zweite Hand auf ihren Bauch, als wolle sie das Ungeborene beruhigen.
    »Es war schrecklich.« Sie sah zu ihrem Mann auf, der jetzt neben ihr stand und unbeholfen ihre Schulter tätschelte. »Er wollte, dass du rauskommst. ›Du verlogenes Schwein!‹, hat er gebrüllt. ›Ich schlag dich tot,
wenn du nicht endlich das Maul aufmachst!‹ Ich hatte Angst, dass er die Tür eintritt.«
    Ihren Mann hatte sie nicht anrufen können. Sein Telefon war ausgeschaltet und auch sonst niemand erreichbar, das Dorf wie ausgestorben gewesen.
    Plötzlich war es vor der Tür still geworden. Sie hatte sich nicht gerührt, hatte den Atem angehalten und nach draußen gelauscht, aber nichts hören können. War wie taub vor Angst gewesen. Was sollte sie tun, wenn die großen Scheiben im Wohnzimmer barsten? Oder die Tür zum Garten? War die überhaupt abgeschlossen?
    Wenn sie den Notruf wählte – wie lange würde es dauern, bis die Polizei kam? Aus Thiessow oder Göhren oder sonst woher? Ewig konnte das dauern.
    Sie musste die Kinder in Sicherheit bringen und wusste nicht,

Weitere Kostenlose Bücher