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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Autoren: Im Sommer der Mörder
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ein paar Meter weiter verlief der Bach. Er war schmal und führte weniger Wasser, als sie erwartet hatte.
    Thomas Ilic schloss den Regenschirm und lehnte ihn gegen einen Baum. Sie schmunzelte. Falls doch Verstärkung kam, würden die Kollegen sie finden.
    Sie überprüften die Taschenlampen, die Handys. Noch hatten sie Empfang.
    »Gehen wir«, sagte Louise.
    »Warte.« Thomas Ilic tippte eine Nummer ins Telefon.
    Während er mit dem PvD sprach, schaute er sie an. Aber es war zu dunkel, um den Blick zu deuten. Er senkte das Telefon. Der PvD hatte versprochen, sich um Verstärkung zu kümmern. Dass da oben ein Toter lag, änderte manches. Aber es machte die Aufgabe, in dieser Situation zusätzliche Einsatzkräfte zu besorgen, nicht leichter. »Wir wissen nicht, ob da ein Toter liegt«, sagte Thomas Ilic.
    »Das ist nicht der Moment für Paragraphen und Haarspalterei, Illi.«
    »Ja«, sagte Thomas Ilic. »Nein.« Er sah auf das Handy, drückte ein paar Tasten. »Wenn wir schon dabei sind …« Er hob das Telefon ans Ohr, machte »Mhm«, lauschte, schwieg. Wieder lag sein Blick auf ihr, wieder ließ sich nichts darin erkennen. Sie hörte eine laute Stimme. Dann sagte Thomas Ilic: »Da liegt ein Toter, Rolf.« Sie hörte Bermann »Blödsinn« brüllen. Und noch einmal – »Blödsinn!«. Thomas Ilic erzählte von dem Helikopter und der Wärmebildkamera. Bermann brüllte »Scheiße!«. »Nur dass du weißt, wo wir sind«, sagte Thomas Ilic und steckte das Telefon ein.
    »Was ist mit Susie Wegener und Mahr?«
    »Sind eben in der PD eingetroffen.«
    Sie nickte. »Du kannst es dir noch überlegen, Illi. Du kannst doch hier unten bleiben und aufpassen. Das wäre gut, wenn hier unten jemand wäre.«
    »Ja.« Er musterte sie reglos.
    Sie dachte, dass auch er die Augen hätte schließen sollen auf der Lichtung im Wald bei Heuweiler. Mitansehen zu müssen, wie ein Mensch ermordet wurde, veränderte alles. Ganz gleich, ob man Polizist war oder nicht.
    Hättest du nur die Augen zugemacht, Illi.
    »Also, dann komm«, sagte sie.

    Der Aufstieg war mühsam. Einen Weg oder Pfad entlang des Baches gab es nicht. Der Boden war von durchweichten Blättern bedeckt und rutschig. Sie wichen ein Stück in den Wald aus, wo weniger Regentropfen durchkamen, hielten sich an Baumstämmen und Ästen fest, aneinander, krochen zur Not auf allen vieren, mal der eine voran, mal der andere, meist im Dunkeln, manchmal im grellen Punktlicht einer Taschenlampe.
    Die Luft war feucht und warm, roch nach Erde, Nässe, Wald, nach Pilzen und manchmal nach Bärlauch. Sie begann zu schwitzen. Ihre Turnschuhe waren durchnässt, ihre Jeans von den Knöcheln bis zum Knie, das T-Shirt ohnehin. Sie dachte an Shahida und Jamal, die aus einem Landstrich kamen, den sie sich ausgetrocknet und wüstenähnlich vorstellte. Sie sah die beiden Gesichter auf den Visa-Dokumenten vor sich, das von Shahida deutlicher. Ein stolzes, kultiviertes Gesicht, ein stolzer, wacher Blick. Merkwürdig, wie vertraut ihr dieses Gesicht und dieser Name, Shahida, mittlerweile waren, obwohl sie sie nur von einem Foto kannte. Obwohl Shahida ganz offensichtlich eine Mörderin und Terroristin war. Der Klang des Namens, die Exotik des Gesichtes? Ethnoromantik, dachte sie amüsiert, sie waren beide verfluchte Romantiker, der Landtagsabgeordnete a.
    D. aus Freiburg-St. Georgen und die Kripo-Hauptkommissarin aus der Gartenstraße.

    »Pause, Illi«, keuchte sie nach zehn, fünfzehn Minuten. Sie hockte sich auf die Fersen, verschränkte die Arme auf den Knien. Thomas Ilic blieb stehen, die Hände in den Hüften, auch sein Atem ging schnell.
    »Was meinst du, wie viel haben wir?«, fragte sie.
    »Vielleicht die Hälfte.«
    »Die Hälfte von der Hälfte?«
    Er nickte.
    »Erst die Hälfte.« Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen. Regentropfen fielen auf ihr erhitztes Gesicht, rannen ihre Schläfen, ihre Wangen hinunter, ihren Hals. Sie lauschte auf die Geräusche des Baches und des Regens. Andere, von Menschen verursachte Geräusche waren nicht wahrzunehmen.
    Wenn sie mit dem Großen Tal Recht hatte, mussten fünf, sechs Menschen an der Flanke des Rappeneck sein. Fünf, sechs Menschen, die mit Autos hergekommen sein mussten. Sie hatten keine Autos gesehen. Sie hatten nichts gesehen, nichts gehört.
    Sie hatten nur eine Person entdeckt, die irgendwo da oben am Bach lag.
    Sie öffnete die Augen. Thomas Ilic’ Gesicht war ihr zugewandt. Sie spürte, dass sein Blick auf ihr lag. Sie hatte keine
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