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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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feine Gerüchte. Sie besagten, er sei ein ehemaliger Agent, der in Rumänien für Israel spioniert habe.
    Jetzt war er alt, verwitwet und verarmt.
    Ronescu hob eine Hand zum Gruß und wandte sich ab. Für einen Augenblick verschwammen die Konturen seines Körpers ineinander. Dann ordneten sie sich wieder zu Leib und Aura.
    Sie ging die Auffahrt hoch. Auf dem Betonboden waren schwarze Reifenspuren aus Feuchtigkeit zu sehen. Sie öffnete die schmale, ins Garagentor einge-lassene Tür. Draußen war alles weiß, und der Schnee fiel unverändert dicht. Sie stieß einen Fluch aus und stapfte auf den Taxistand zu.
    Während das Taxi durch die Stadt rutschte, versuchte sie, sich einen Reim auf das zu machen, was Bermann gesagt hatte. Er hatte von einem Japaner gesprochen, der draußen im Schwarzwald in Sandalen durch den Schnee laufe. «Ein Japse», hatte er gesagt. Bermann war kein Rassist, nur bequem. Er sagte das, was ihm in den Kopf kam. Er hatte weder Lust noch Zeit, vorher nachzudenken. Und er war wütend auf sie gewesen.
    «Ein glatzköpfiger Japse mit schwarzer Kutte», hatte er gesagt. Dann hatte er «Nehmen Sie auch Kredit-karten?» geflüstert.
    Hollerer, der Kollege aus Liebau, hatte die Polizeidirektion angerufen. Er wusste nicht, was er mit dem Mönch anfangen sollte. Der Mönch hatte nichts getan.
    Andererseits würde er mit ziemlicher Sicherheit er-frieren, wenn er weiter durch den Schnee spazierte
    «mit kaum was an».
    Außerdem, hatte Hollerer gesagt, stand Liebau Kopf. Womöglich, fürchtete man, war eine Sekte im Begriff, sich in der Nähe niederzulassen. Etwas musste unternommen werden – rechtzeitig, verlangte Liebau. Der Bürgermeister machte Druck. Er hatte die Honoratioren versammelt, telefonierte herum und ließ Hollerer keine Ruhe. Er wollte, dass der Fall, den es nicht gab, untersucht wurde.
    «Du machst ein ernstes Gesicht, schreibst möglichst viel auf und verziehst dich wieder», hatte Bermann gesagt. Das Piepen des Kassenscanners hatte seine Worte untermalt.
    Louise wurde bewusst, dass sie die Kopfstütze vor sich fixierte, seit sie in das Taxi gestiegen war. Vorsichtig hob sie den Blick. Die Gleichgewichtsstörungen schienen nachgelassen zu haben. Die Dinge hatten, bemerkte sie bedauernd, ihre Aura verloren.
    Sie überlegte, ob sie Hollerer kannte. Der Name kam ihr bekannt vor. War sie ihm schon einmal begegnet? Sie erinnerte sich nicht.
    Die Fahrt zog sich endlos hin. Der Samstagsverkehr war wegen der Schneemassen halb zusammengebro-chen. Menschen kämpften sich mit gesenkten Köpfen und weißen Regenschirmen über die Dreisam-Brücken. Aristoteles und Homer waren unter unförmigen Schneekleidern verschwunden. Sie kamen an einem Auffahrunfall vorbei und standen in unüber-sichtlichen Staus. Streufahrzeuge waren unterwegs, gelbe ADAC-Autos gaben Starthilfe. Der junge Taxifahrer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gelassen pfiff er monotone Melodien durch die Zähne.
    Als die Häuser zu beiden Seiten der Straße verschwanden, wurde das Weiß des Schnees beinahe unerträglich grell. Der Fahrer setzte eine Sonnenbrille auf, Louise kniff die Augen zusammen. Sie fuhren ins Nichts.
    René Calambert war im Nichts gestorben, auf einer schmalen Straße außerhalb von Munzingen. Bermann und die anderen waren in die falsche Richtung gelaufen. Nur sie war in die richtige Richtung gelaufen.
    Nein. Sie war in die falsche Richtung gelaufen.
    «Was?», fragte der Taxifahrer.
    «Ich hab nichts gesagt.»
    «Sie haben gesagt: falsche Richtung.»
    «Hab nicht Sie gemeint.»
    «Okay.» Der Fahrer nickte. Sie spürte, dass sein Blick hinter den dunklen Gläsern im Rückspiegel auf ihr lag. Er war jung, sah nach Student aus, hatte wild gelocktes Haar. Ihr fiel auf, dass seine Ohrläppchen unglaublich groß waren, etwa so groß wie der Schraubverschluss einer Wodkaflasche. Von der Wärme im Wageninneren waren sie leicht gerötet.

    Plötzlich hatte sie Lust, das rechte zu berühren, es zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen und ein bisschen damit zu spielen.
    Sie hob schon die Hand, als das Ohrläppchen in Bewegung geriet. Der Fahrer beugte sich vor und nahm eine weitere Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. «Hier», sagte er.
    «Danke.»
    Die Brille war eiskalt. Ihre Gläser bestanden aus zwei schmalen, dunklen Rechtecken. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie die Brille an Bob Marley, Rastafaris und Haschischexzesse. Vor fünfzehn Jahren hätte sie sie in den Diskotheken getragen.
    «Geben Sie sie mir
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