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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
Autoren: Víctor Conde
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riesigen, zum Bersten gefüllten Festsaal sah. Hunderte von Köpfen starrten auf eine Art Podium, auf dem hinter zwei großen Tischen zwei Gruppen von jeweils zehn Jugendlichen saßen, die alle in etwa das gleiche Alter wie ihr Zielobjekt hatten.
    Auf einem Bildschirm tauchten jetzt ein paar Zeilen auf, woraufhin einer der Teilnehmer blitzschnell mit der flachen Hand auf einen Buzzer schlug.
    »Antworten wird … das Team des Cospedal-Gymnasiums«, ertönte eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher.
    Die Kameras zielten auf den jungen Mann, der sich stolz erhob. Eine Assistentin reichte ihm das Mikrofon.
    »Die Frage lautet: Was ist das Zytosol in einer Zelle? Meine Antwort: ein Gel auf Wasserbasis, in dem viele wichtige Funktionen des Zellstoffwechsels stattfinden.«
    Der Punktestand auf der Anzeigetafel wechselte von 49 auf 50, das Publikum applaudierte. Es war sogar eine lustige kleine Melodie zu hören.
    Ein Anfall von Nostalgie überkam sie. Sie war schon zu lange von der Welt getrennt, um ganz zu begreifen, was da vor sich ging, aber die Szene erinnerte sie an einen der letzten Augenblicke ihres irdischen Lebens, als sie nichts weiter als eine Obstverkäuferin in Fanar war, dem griechischen Viertel von Konstantinopel, wenige Monate, bevor die Stadt in die Hände der Kreuzritter fiel. Sie konnte sich nicht einmal an das Jahr erinnern, aber doch an die Freude, die die Spiele der Kinder im Forum verbreiteten. Die Leute versammelten sich, um sie singen oder Gedichte aufsagen zu hören oder Ball spielen zu sehen, und klatschten Beifall, wenn eines der Kinder etwas besonders toll gemacht hatte. Straßenverkäufer wie sie gesellten sich unter die Zuschauer und hielten sich in der Nähe der Eltern auf, für den Fall, dass jemand frisches Obst kaufen wollte. Sie erinnerte sich sogar noch an das prasselnde Geräusch, mit dem der Tremissis, die damalige Goldmünze, in ihre Tasche fiel, begleitet vom heiteren Gelächter der Kinder.
    Was für Erinnerungen! Aber das war, bevor die geflügelte Gestalt in ihr Leben gekommen war, um sie vor der Invasion zu warnen. Bevor sich ihr ganzes Leben von einem Tag auf den anderen veränderte.
    Séfora blickte zum Spielstandsanzeiger: Es stand fünfzig zu fünfzig. Beide Teams lagen gleichauf, und die Anspannung, die sie in den Gesichtern der Teilnehmer (und in denen der Eltern, die sich hinter Dutzenden von Videokameras verschanzten) lesen konnte, verriet ihr, dass die Veranstaltung dem Ende zuging. Das war eine gute Nachricht:In dem Gedränge von Leuten, die erwartungsgemäß alle gleichzeitig aufstehen würden, um den Saal zu verlassen, könnte sie sich ihrem Zielobjekt unauffälliger nähern.
    »Letzte Aufgabe«, verkündete die unpersönliche weibliche Stimme aus dem Lautsprecher. Zwanzig Jugendliche hielten den Atem an.
    Auch das Make-up konnte die Angst nicht verbergen, die den Schülern ins Gesicht geschrieben stand.
    Den Teilnehmern war es verboten, die Hände während der Fragestellung in der Nähe der Antwortknöpfe abzulegen. Tanya trommelte mit den Fingern auf ihren Knien. Mit höchster Konzentration starrte sie auf den Bildschirm. Die Schüler des Cospedal waren gut, besser als sie erwartet hatte. Aber sie begingen einen Fehler: Sie dachten zu schnell. Sie waren ganz offensichtlich darauf getrimmt worden, schnell und effizient zu antworten. Man hatte sie gleichsam zu Antwortmaschinen erzogen.
    Natürlich blieb ihnen auf diese Weise keine Zeit, mögliche Doppeldeutigkeiten zu erkennen, Fallen, die sich hinter absichtlich uneindeutigen Formulierungen verbargen. Diese Schwäche hatte sie bereits mehr als einen Punkt gekostet.
    Die Anzeige leuchtete ein letztes Mal auf. Wer jetzt die richtige Antwort gab, durfte den Pokal mit nach Hause nehmen, und mit ihm den Ruhm und die Beihilfe zum Studium.
    Tanya kniff die Augen zusammen.
    Die Frage lautete: Könnt ihr mir sagen, in welcher künstlerischen Disziplin der Serialist Byron zu Weltruhm gelangte?
    Neunzehn Hände schnellten fast gleichzeitig zum Buzzer. Nur eine hielt sich zurück, ruhte wie eingefroren auf dem Oberschenkel.
    Am schnellsten war der Spielführer des gegnerischen Teams, ein ziemlich überheblicher Bursche, der jedes Mal, wenn er eine Frage richtig beantwortet hatte, seinen Konkurrenten einen verächtlichen Blick zuwarf, als wäre jeder Punkt für ihn ein weiterer Nagel in ihren Sarg. Als die Zuschauer sahen, wer zum Mikrofon griff, ging ein Raunen der Enttäuschung durch die Zuschauerreihen.
    »Meine Antwort
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