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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Autoren: Luc Deflo
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ich für dich tun? Was soll ich denken?
    Deleu schaute auf. Die Fensterläden des umgebauten Bauernhofs waren geschlossen. Er trat einen Schritt zurück. Auf den Fenstern im Obergeschoss lag eine dicke Schmutzschicht.
    Deleu sog die kühle Nachtluft ein. »Ich mach dich fertig, du Stück Scheiße.« Er zog seine Pistole aus dem Speedholster, griff nach dem Türöffner und stemmte die Schulter gegen das Türblatt. Die Tür bewegte sich keinen Zentimeter. »Wie komme ich hier rein? Wo steckt der Dreckskerl? Er muss doch wissen, dass ich eine Waffe habe. Er sitzt in den Büschen. Er schießt mir in den Rücken.«
    Deleu ging in die Hocke, die Pistole im Anschlag, während er versuchte, mit einem Blick die Umgebung zu erfassen. Dann richtete er sich wieder auf und schlich an der Hauswand entlang über den Pfad, der zum Garten hinter dem Haus führte. Die rauhen Mauersteine scheuerten über sein Sakko.
    Die Koniferen standen noch immer dort. Ungestutzt. Sie hatten ihre perfekte, spießbürgerliche Form verloren und bildeten inzwischen eine undurchdringliche Hecke mit bizarren, in alle Richtungen abstehenden Zweigen – Zweigen, die ein Eigenleben zu führen schienen und im Halbdunkel nach seiner Kehle griffen.
    Deleu schlich hastig weiter. Er wollte so schnell wie möglich ins Hausinnere. Hier draußen war er so gut wie wehrlos – das Schwein konnte überall stecken. Bevor er um die Hausecke bog, machte er einen Umweg über den Rasen.
    Vor der Garagentür hatte jemand einen Pfeil in den Boden gekratzt und mit einer kindlichen Handschrift das Wort »Willkommen« daruntergekritzelt.
    Dirk Deleu warf einen misstrauischen Blick auf das Schloss. Er erinnerte sich daran, wie er vor zwei Jahren das Absperrband mit seinem Taschenmesser durchgeschnitten hatte. Seine Hand verschwand in der Hosentasche. Kein Messer. Er hatte es zu Hause liegen lassen.
    Deleu verdrängte die Erinnerung an die Vergangenheit. Er musste konzentriert bleiben, bereit zum Angriff. Und dann hart und erbarmungslos zuschlagen. Brutal und berechnend. Schonungslos. Wie sein Gegner.
    Das rotweiß-gestreifte Absperrband war verschwunden. Alles war verschwunden. Zwei Jahre nach ihrem Tod waren diese Menschen vergessen. Altmüll. Kein Kinderspielzeug, kein Auto, keine Möbel, keine Fotos, nur verblasste Erinnerungen. Unbegreiflich und doch verständlich.
    Das Garagentor war nicht verschlossen. Deleu warf erneut einen Blick über die Schulter. Der große Garten hatte sich in eine Art Wüstenlandschaft verwandelt. Die bogenförmige Pergola stand krumm und schief da; ein Bogen war sogar in zwei Teile zerbrochen. Der Gartenteich mit der Brücke, in dem früher wogendes Schilf gestanden hatte, war zugeschüttet worden. Aus der lockeren Erde ragten spitze Steinbrocken hervor. Nur die Kinderschaukel schien unversehrt zu sein – was für eine Ironie.
    Mit der Schuhspitze stieß Deleu das Garagentor auf. Als er auf den Schalter drückte, erstrahlte die Garage zu seiner Verblüffung in hellem Licht.
    Spielchen
, schoss es ihm durch den Kopf. Und während er seine Pistole von links nach rechts schwenkte, erinnerte er sich an Maggie Uyttebroeck, das Mädchen, das Hermans in ihrer Wohnung ermordet hatte. Erst über Stunden gequält und dann ermordet. Psychologisch vernichtet.
    Bis auf einen kleinen Haufen Unrat war die Garage leer.
    Froggy – so hieß die Marke. Das gleiche Fahrrad, das auch unser Rob hatte.
Deleu erinnerte sich an den Aufkleber, den er damals auf dem Rahmen gesehen hatte – »Herzliche Geburtstagswünsche« hatte darauf gestanden.
    Wie alt war das Mädchen, als es ermordet wurde? Ich hab’s vergessen, ich hab’s, verdammt noch mal, vergessen.
    Deleu drehte sich um und schaute zu der Tür, die von der Garage in die Wohnräume führte. Und dann tat er etwas Unerwartetes: Anstatt die Tür vorsichtig aufzudrücken, machte er einen Schritt nach vorn und trat mit voller Wucht gegen das Holz. Die Scharniere brachen auf, und die Tür knallte gegen die Wand. Die Waffe im Anschlag, stürmte Deleu ins Hausinnere.
    Drinnen war es dunkel. Dunkler als in der Hölle.
    Deleu wirbelte um die eigene Achse. Immer wieder. Zwei blutunterlaufene Augen starrten ihn an. Beinahe hätte er den Abzug betätigt.
    Dirk Deleu konnte seine eigene Angst riechen. Die beleuchteten Zahlen über der Dunstabzugshaube gab es noch immer – doch dieses Mal bildeten sie keine Ziffern mit der Uhrzeit, sondern nur eine Reihe schräger und waagerechter Streifen mit undefinierbaren
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