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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
Autoren: Luc Deflo
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erinnerte sich daran, wie Tom und er die Leute am Strand ausgelacht und großmäulige Seemannssprüche geklopft hatten, als plötzlich ein gewaltiger Schlag ihr Boot erzittern ließ und es ein Stück aus dem Wasser gehoben wurde. Walter fuhr noch heute der Schrecken in die Glieder, und er erinnerte sich an Toms weit aufgerissene grüne Augen. Er hatte sein Tauchermesser genommen, ohne die Wasseroberfläche zu berühren, das Seil durchgeschnitten und war wie wild losgerudert in Richtung Strand, bis sich ein roter Schleier vor seine Augen senkte. Tom, der nicht mit ihm mithalten konnte, hatte sogar ein Paddel verloren, so dass das Boot sich einen Moment lang um die eigene Achse drehte. Am Strand fielen sie sich in die Arme und lachten, als hätten sie gerade die Fußballweltmeisterschaft gewonnen.
    An den darauffolgenden Tagen war er zwar noch geschnorchelt, hatte sich aber nirgends mehr hin gewagt, wo das Wasser tiefer als fünf Meter war. Sobald er in tiefere Gefilde geriet, überkam ihn ein widerwärtiges Gefühl, als beobachte ihn jemand aus dem Hinterhalt. Dann drehte er sich um die eigene Achse, wie ein Aal, der nicht weiß, wie ihm geschieht, weil der Haken nicht in seinem Maul, sondern in seinen Gedärmen hängt. Dieses Gefühl war er nie wieder richtig losgeworden. Auch jetzt, hier, in dieser feuchten, düsteren Umgebung, empfand Walter eine lähmende Beklemmung. »Verdammt, Pierre, beeil dich«, murmelte er vor sich hin und tastete nach seinem Schulterholster.
    Der schielende Pierre hockte jetzt warm und gemütlich im
De Rozelaar,
seiner Stammkneipe. Heute Abend fanden die Clubmeisterschaften im Bogenschießen auf ein Vogelziel statt, und für Pierre, der seinen Clubmeistertitel verteidigen musste, stand einiges auf dem Spiel. Daher hatten sie sich getrennt, obwohl Jos Bosmans darauf bestanden hatte, dass sie zusammenarbeiten sollten. Außerdem hatte er Walter ans Herz gelegt, besonders vorsichtig zu sein und sich beim geringsten Verdacht bei Pierre zu melden oder, wenn nötig, sogar von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.
    Walter lachte leise. Der schielende Pierre, Clubmeister im Bogenschießen. Pierre, der auch auf dem Polizeischießstand ein Ass war, obwohl er schielte wie ein Otter. Er pflegte Walter anzuschauen, der rechts von ihm stand, und gleichzeitig mitten ins Schwarze zu schießen.
    Oder war das Bogenschießen für Pierre gar nicht mal am wichtigsten? Walter Vereecken lächelte. Vielleicht sollte er Pierre bei Gelegenheit mal in seine Stammkneipe begleiten.
    Sie hatten abgemacht, dass Pierre sofort nach den Clubmeisterschaften in dem Auto, das einige Meter von der Kirche entfernt geparkt war, Posten beziehen sollte.
    Walter betrachtete das Funkgerät und legte sein Ohr daran. Er schüttelte das Ding heftig hin und her, aber es tat sich immer noch nichts. Nicht mal, als er die Frequenz änderte, gab es einen Mucks von sich. Fluchend öffnete er mit seinem Schweizer Messer die Rückseite. Mist, das rote Lämpchen brannte. Hatte er es sich doch gedacht, die Batterien waren leer. Mit diesem Vermosen von der Materialausgabe, mit dem hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen. Schon zum dritten Mal in knapp zwei Monaten funktionierte das Material, von dem schließlich sein Leben abhängen konnte, nicht richtig oder gar nicht.
    Walter seufzte und schraubte die Schutzklappe wieder auf der Rückseite des Gerätes fest. Er klappte sein Schweizer Messer zusammen und dehnte seine verkrampften Wadenmuskeln. Als er das Funkgerät in die Jackentasche gleiten ließ, sah er hinter einem der Fenster des Pfarrhauses eine rote Glut aufleuchten. Er holte tief Luft, stand auf und fragte sich, welche satanischen Rituale wohl hinter den kunstvollen Bleiglasfenstern stattfanden.
    Ein Rascheln in den Sträuchern ließ ihn zusammenzucken. Er drehte sich um die eigene Achse, zog seine Dienstwaffe, entsicherte sie und wartete mit angehaltenem Atem.
    Die Stille war unwirklich.
    Walter raffte all seinen Mut zusammen, hob eine Handvoll Steinchen auf und warf sie in die Richtung, aus der das Geräusch in etwa gekommen war. Eine Katze sprang mit einem Schrei zurück in die Sträucher. Walter atmete auf.
    Wie sollte er wissen, wann der schielende Pierre auf dem Posten war, wenn er ihn nicht erreichen konnte? Hätte er doch nur sein Handy mitgenommen.
    Die Katze blieb ein paar Meter von ihm entfernt im Gebüsch sitzen. Walter sah ihre Umrisse und ein fluoreszierendes Glitzern. Wenn das nur keine Ratte war! Sein Observierungsposten befand
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