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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
Autoren: Luc Deflo
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Sonntagmorgen, als die Polizei die furchtbare Entdeckung gemacht hatte. Deleu betrachtete den Schlüssel, und sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Warum war die Tür nicht abgeschlossen gewesen? Der Hund lebte nicht mehr. Würde er diese Tür nachts abschließen? Ja, natürlich. Aber wie war Poulders spätabends von der Garage in die Küche gelangt? Es gab nur diese eine Tür, und wenn der Schlüssel innen steckte, konnte man sie von außen nicht aufschließen. Das hatte die Überprüfung ergeben.
    War er wieder hinausgegangen und vorne durch die Haustür gekommen? Nein, wahrscheinlich blieb auch diese Tür Tag und Nacht offen.
     
    Deleu rieb sich die müden Augen, drehte sich mit einem Ruck um, blieb stocksteif stehen und wartete, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte.
    Nach etwa einer halben Minute konnte er die Umrisse der Möbel erkennen. Obwohl die Rollladen zur Straßenseite hin hinuntergelassen waren, fiel von der Veranda aus genügend Licht hinein, um sich im Inneren des Hauses orientieren zu können. Ein aromatischer Kräuterduft. Er erkannte ihn wieder:
The Smell of Christmas.
Barbara kaufte jedes Jahr zur Weihnachtszeit genau dieselbe Mischung. Als er auf die Anrichte zuging, sprang automatisch das Licht an. Er erstarrte und schlug erschrocken die Hände vor die Augen. Er atmete tief ein und aus und schaute sich hastig um, als wolle er mit einem Blick das ganze Haus erfassen.
    War es den Mördern ebenso ergangen? Hatte es sich um ganz normale Einbrecher gehandelt, die in Panik geraten waren? Nein, vermutlich nicht. Auf den ersten Blick war nichts aus dem Haus entwendet worden.
    Deleu mahnte sich zur Ruhe und setzte sich an den Küchentisch. Wessen Platz war das gewesen? Der von Mijnheer oder von Mevrouw Poulders? Er fühlte sich wie ein Eindringling. Ein Tourist, der eine Moschee betrat, ohne vorher die Schuhe auszuziehen.
    Er schaltete das Licht aus, machte einen Bogen um die Anrichte und nahm wieder am Tisch Platz. Er blieb etwa fünf Minuten lang reglos sitzen und fühlte, wie der Wahnsinn von ihm Besitz ergriff. Das Adrenalin pulsierte durch seine Adern. Hatte der Mörder auch hier gesessen? Hatte er hier ein Butterbrot gegessen? Hatte der Mistkerl eine Tasse Kaffee getrunken? Vor seiner Tat? Nach seiner Tat? Wahrscheinlich nach den Morden.
    Deleu schaltete das Licht wieder ein, blickte zu Boden und machte einen Satz zur Seite. Er stand mitten in einem braunen, umrandeten Fleck. Geronnenes Blut. Mist! Daran hatte er nicht mehr gedacht.
    Ihm brach der Schweiß aus, und er drehte sich um die eigene Achse. Der weiße Fliesenboden war mit braunen Flecken und Streifen beschmutzt. Rund um den Tisch, von der Anrichte bis zur Garagentür, war alles voller Blutspuren. Fußabdrücke. Die in Richtung der Garagentür waren nachvollziehbar, der Psychopath war wohl auf demselben Weg wieder gegangen, wie er gekommen war. Aber warum war der ganze Boden beschmiert, hauptsächlich um den Tisch herum? Auf dem weißen Resopaltisch selbst war dagegen kein Fleckchen zu sehen. Ein Brotbrett, ein Küchenmesser, eine Tüte mit restlichen Scheiben Brot darin sowie eine Tasse mit einem Rest Kakao standen unangerührt darauf. Warum waren die Sachen noch da? Durften sie wegen der Ermittlungen nicht weggeräumt werden, oder hatte man sie aus Respekt nicht stehengelassen?
    Sogar ein knallharter Bulle wie Walter Vereecken, der als Erster hier eingetroffen war – Walter war einer, der vor zynischen Witzen am Tatort nicht zurückschreckte, einmal hatte er den rechten und den linken Pantoffel von Christophe van Rompuy vertauscht, einem Zuhälter, den eine seiner Heroinnutten auf seinem eigenen Sofa ermordet hatte –, war offenbar tief erschüttert von den Spuren der makaberen Szenen gewesen, die sich hier zweifellos abgespielt hatten.
    »Der Dreckskerl trinkt keinen Kaffee, sondern Kakao«, flüsterte Deleu und schlug die Augen nieder, weil er sich für seinen unpassenden Sarkasmus schämte. »Was hattest du hier zu suchen? Was soll ich sehen, und vor allem: Was soll ich nicht sehen?
    Sämtliche Fingerabdrücke und Speichelproben auf den Küchenutensilien stammten von Mijnheer Poulders. Hatte er auch die schlechte Angewohnheit gehabt, nach einem nächtlichen Imbiss den Küchentisch nicht abzuräumen? Barbara hasste es, wenn er das vergaß.
    »Wir alle sind verwundbar, und im Tod sind wir alle gleich.«
    Barbara schlief jetzt. Gut, dass Rob bei ihr war. Aber jetzt war keine Zeit für sentimentale Anwandlungen. Konzentriere
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