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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut
Autoren: Erich Schütz
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verkauft?«
    »Das gilt auch für China. Es muss ebenfalls an diesem Abwehrsystem beteiligt sein. Wenn die westeuropäischen Staaten und Israel dem globalen Raketenschild zustimmen und daran teilnehmen, würde China allein gestellt darauf nervös reagieren. Aber mittlerweile haben wir alle in einem Boot. Das nennt man Friedensmaßnahmen.«
    Herbert Stengele lacht hysterisch auf: »Wollen Sie meine Patente sozialisieren? Sind die jetzt für alle und für jeden?«
    »Sie haben technisch ermöglicht, was nun zu einer weiteren Friedenssicherung gemeinsam umgesetzt werden muss. Nur so bleibt der Krieg der Sterne ausgeglichen und begrenzt, deshalb bekommen die Russen und auch die Chinesen ganz offiziell alle notwendigen Kopien zum Bau des Raketenschirms mit Ihrer Strahlenwaffe.«
    »Das bestimmen Sie?«, staunt Leon.
    »Sie und Herr Stengele auf jeden Fall nicht«, bemerkt Otto überheblich, »Herr Dr. Stocks ist wahrlich nicht nur ein Waffenverkäufer oder Lobbyist, wie Sie vielleicht meinen. Herr Dr. Stocks zeigt sehr viel Verantwortung und Fingerspitzengefühl in diesem Geschäft, deshalb wird er von allen Regierungen auch überaus geschätzt.«
    »Bekommt dieser Waffenschieber den nächsten Friedensnobelpreis?«, lästert Leon, erstaunt über die Beschreibung des noblen Herrn Dr. Stocks.
    »Ich denke, er hätte ihn verdient«, antwortet Björn Otto allen Ernstes.

28
    Es ist für Leon ein wahrer Horrorflug, obwohl der Airbus 310 gleichmäßig und ruhig von Ho-Chi-Minh-Stadt direkt nach Zürich düst. Doch Leon findet trotzdem keine Ruhe. Herbert Stengele liegt ihm ununterbrochen in den Ohren. Der Mann ist am Ende seiner Kräfte. Er hadert mit sich und seinem Schicksal und mit seinem gesamten bisherigen Leben.
    »Ich hätte nie und nimmer zu Schwanke gehen dürfen«, ist sein Fazit, nachdem er fast 25 Jahre bei Defensive-Systems in der Rüstungsindustrie tätig war. »Matthias hat mich damals mit Schwanke bekannt gemacht. Ich war noch immer an der Uni. Ich wollte eine Assistentenstelle. Ich war begeistert von der Astrophysik, das war mein Thema. Aber Matthias hatte gedrängt: ›Du wirst ein ewiger Student, du musst endlich Geld verdienen. Wenn du mal eine Frau halten willst, dann brauchst du auch ein Einkommen, Haus und Heim.‹ Ich dachte, vielleicht hat er recht und ich bekomme so Verena wieder zurück«, jammert Herbert. »Matthias fuhr damals schon einen Mercedes, während ich noch Geld sparen musste für die Stadtbahn in Stuttgart. Ich dachte, deshalb wäre Verena zu ihm gezogen. Und Herbert hatte mir das Angebot von Schwanke übermittelt: 5.000 Mark Monatsgehalt, Weihnachtsgeld und Urlaub – das war damals nicht schlecht. Er wusste zu der Zeit schon: ›Der Krieg der Sterne ist nicht weit, wenn du Geld verdienen willst, musst du zu Schwanke.‹«
    »Und«, lässt Leon ihn plappern, »haben Sie Ihr Geld verdient und Ihre Wohnung abbezahlt?«
    Das erste Mal an diesem Tag lacht Stengele, wenn auch verbittert. »Ja! Ich habe heute sogar drei Wohnungen. Aber wozu? Verena lag trotzdem bei Matthias im Bett und nicht bei mir. Und ich hab’s all die Jahre geschluckt.« Sein Lachen geht erneut in ein Weinen über. »Und jetzt, jetzt habe ich auch noch meinen Sohn verloren.«
    Eine Stewardess kommt vorbei und fragt besorgt, ob alles in Ordnung sei. Stengele bestellt mit gebrochener Stimme eine weitere Bloody Mary.
    Die Flugbegleiterin schaut Leon verunsichert an, er hofft, dass Stengele bald einschlafen wird. Doch dieser lamentiert weiter und hadert mit seinem Schicksal als Erfinder. »Kann man in diesem Staat überhaupt technische Erneuerungen vorlegen, die das Militär nicht nutzt?«
    »Das haben sich 1957 Otto Hahn und Carl-Friedrich Weizsäcker auch gefragt«, erinnert Leon an den Göttinger Aufruf, in dem 18 Wissenschaftler die Geister der Atombombe, die sie selbst gerufen hatten, von den Regierenden wieder zurückforderten.
    Stengele leert seine Bloody Mary in einem Zug und greift in die Innentasche seiner verbeulten, blauen Anzugsjacke. Heraus fingert er ein ziemlich verblasstes Bild. Leon erkennt darauf die junge Verena Kluge. Kokett wirft sie dem Fotografen einen Handkuss zu.
    »Ob sie mir verzeihen wird?«, seufzt Stengele.
    »Sie Ihnen?«, Leon glaubt, sich verhört zu haben.
    »Ja, sie mir. Mir war das verdammte Teleskop immer wichtiger, deshalb hat sie sich ja von mir getrennt – und jetzt hab ich alles verloren.«
    »Und sie, Verena?«
    »Sie war ein liebes, nettes Mädchen, als wir uns kennengelernt haben.
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