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Bokeh

Bokeh

Titel: Bokeh
Autoren: Chris P. Rolls
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ich ihm so nahe gekommen?
    Dirk lächelt. Jenes Lächeln, welches mehr aus den Augen kommt, den Mund kaum erreicht. Seine Hand liegt auf meiner Hüfte. Wann hat er sie dort hingelegt? Die Stelle vibriert vor Spannung, die Berührung sendet Verlangen in all meine Nerven.
    Das Gelächter wird lauter und durchdringt die seltene Nähe. Mir wird bewusst, wie wir wirken und Dirk leider ebenso. Mit einem breiten Schmunzeln packt er mich im Nacken, und während die anderen Besucher des Pubs mit schrillen Pfiffen und Ausrufen sein Tun quittieren, spüre ich nur die Rauheit seines Barts, Lippen, die sich auf meine pressen. Mein Mund öffnet sich, meine Zunge schnellt vor, erobert diese Lippen, nach denen ich mich seit Jahren verzehre.
    Ein Kuss mit Dirk. Scheiß auf die Welt, scheiß auf die pikierten Zuschauer, auf Caleb, Vivian und jeden anderen. Er küsst mich. Und auch wenn mir irgendwo am Rande meines weit entfernt weilenden Verstandes klar ist, dass dies hier eine Show ist, angeheizt durch Bier, Musik und Stimmung, ist es mir völlig gleichgültig, denn der Kuss, der ist echt.

    7 Wachs ohne Feuer

    Augen zu? Augen auf? Oh Himmel, ich weiß gerade überhaupt nicht, was ich tun soll. Ich will nicht, dass es endet. Ich habe Angst davor, regelrecht Panik, dass Dirk den Kuss abbricht und wir hart in der Realität aufkommen. Nie im Leben ist dieser Kuss so ernst gemeint, wie ich es gerne hätte.
    Mir geht der Arsch verdammt auf Grundeis und das will was heißen, denn eigentlich kann kaum jemand mich ins Bockshorn jagen. Ich bin schon einmal, hoch erhobenen Hauptes und mit selbstsicherem Lächeln, auf High Heels durch eine Horde prolliger Fußballfans gegangen und hatte mir den Schal des gegnerischen Vereins elegant um die Hüften geschwungen. Eine verrückte Idee, die mich vielleicht ins Krankenhaus hätte bringen können. Zu viel Alkohol und die Worte: „Wetten, das machst du nicht?“, hatten meinen Verstand kurzfristig ausgeschaltet. Ist gut gegangen, und außer massig Beleidigungen und Gelächter, dass besagter Verein wohl nur Schwuchteln als Fans hätte, ist nichts passiert.
    Aber das war etwas ganz anderes. Wenn Dirk seine Augen aufmacht - denn er hat sie geschlossen - wenn er auftaucht aus diesem Kuss, dann wird das Gemurmel zu echten Stimmen, die uns auseinandertreiben, dann wird Vivians viel zu helles Lachen den Zauber durchbrechen und uns trennen. Jeder auf einer Seite einer Glaswand. Seine Seite verspiegelt, meine leider viel zu durchsichtig. Mit Blick auf ihn, aber er bleibt unerreichbar.
    Was soll ich tun? Darf ich mehr wagen? Nein. Das wäre fatal. Noch kann er es als Spiel abtun, als Teil des sehr schmalzigen Songs. Noch ist ein Ausweg da … Oh bitte …
    Dirk schlägt die Augen auf. Der Druck seiner Hand in meinem Nacken nimmt ab und ich wage kaum, mich zu bewegen, weiß nicht wohin, weiß nicht wie. Sekundenlang blicken wir uns an und ich habe das Gefühl, dass in seinen Augen Erstaunen zu sehen ist. Was meine widerspiegeln, will ich gar nicht wissen, denn es gelingt mir partout nicht, die übliche Maske aufzusetzen. Ich versage hier gerade auf ganzer Linie und ausgerechnet Dirk wird Zeuge davon.
    Er brummt. Ein kehliger Laut, der meinen Körper mit einer Gänsehaut überzieht. Seine Zunge fährt über die Lippen, noch immer nur Zentimeter von meinen entfernt. „Das nenne ich mal einen Kuss.“ Leise Worte und ja, sie klingen … überrascht. Dann ist sie da: Die Stimme von Vivian und die Woge der Realität schwappen über uns wie Eiswasser. Dirk löst sich von mir, wenngleich seine Hand auf meiner Hüfte verharrt.
    „Ihr seid ja echt verrückt.“ Ich hasse ihre Stimme. Sie kichert künstlich. „Hört aber jetzt besser auf. Der ganze Pub schaut schon her. Nicht, dass die euch noch für wirklich schwul halten.“ Ich hasse ihr gewollt verzücktes Gesicht. Sie ist kein Model, nur eine einfache Assistentin. Überflüssig, leicht zu ersetzen. Was wagt sie sich zwischen uns? Wenn ich könnte, wie ich wollte ...
    Dirk lächelt sie an und streicht sich über den Bart. „Mach halblang, Süße. Da ist nichts dran, wenn sich Männer küssen. Wir sind mitten in London.“ Abermals kichert sie. Mir hallen die Worte im Kopf: „Da ist nichts dran ...“ Nein, da war auch nichts. Mir ist kalt und am liebsten würde ich aus dem Pub stürzen. Zuzusehen, wie Dirk sich erneut dieser unreifen Kaffeeschlepperin zuwendet, verursacht einen Würgereiz in mir.
    Plötzlich ist da ein kräftiger Arm um meine Schultern, der Duft
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