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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum
Autoren: Birgit Schlieper
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Jugendliche zwischen acht und siebzehn Jahren, die alle einfach plötzlich verschwunden waren. Manche aus Kinderheimen oder Wohngruppen, andere aus ganz normalen Familien. Er liest von Ines. Fünfzehn Jahre, lange Haare, beliebt, keinen Freund, gute Schulnoten, immer zuverlässig. Und plötzlich kommt sie vom Tanzunterricht nicht nach Hause.
    Das ist sechs Jahre her.
    Werden Claudine und er in sechs Jahren auch immer noch nach Charlotta suchen? Ein Stich geht ihm durch den Magen. Er zieht hörbar die Luft ein. Claudine, die gerade auf dem Weg ins Bad war, hört es und bleibt im Türrahmen stehen. Sie beobachtet, wie ihr Mann sich Bilder von Kindern und Jugendlichen ansieht. Langsam kommt sie näher.
    Â»Was machst du da?«, fragt sie widerstrebend. Eigentlich ist sie sicher, dass sie es gar nicht wissen will.
    Â»Das sind alles verschwundene Kinder. Das sind alles Nachrichten von verzweifelten Eltern. Ich kann nicht glauben, dass es so viele sind«, stöhnt er auf.
    Â»Was hat das mit uns zu tun?«
    Â»Weil Charlotta verdammt noch mal auch verschwunden ist. Weil wir vielleicht auch noch in fünf, sechs Jahren hier sitzen und auf sie warten. Bei jedem Telefonklingeln zusammenzucken. An ihrem Geburtstag heulend in ihrem Zimmer hocken werden. Jedes Mal wenn die Leiche eines Mädchens entdeckt wird, werden wir zusammenschrecken und vielleicht auch ein ganz bisschen hoffen. Weil wir endlich Klarheit haben wollen.«
    Mit schnellen Schritten ist sie bei ihm, schlägt ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
    Â»Sag so etwas nie wieder«, faucht sie ihn an. Sie dreht sich auf dem Absatz um, geht raus, kommt bis in den Flur und bricht ohnmächtig zusammen. Sie fällt unglücklich gegen zwei Garderobenhaken, reißt sich ein klaffendes Loch auf die Stirn.
    Als der Notarzt kommt, ist sie schon wieder bei Bewusstsein. Doch sie soll trotzdem ins Krankenhaus gebracht werden. Die Wunde muss genäht, außerdem soll ihr Kreislauf beobachtet werden.
    Â»Wir müssen Charlotta vom Internat abmelden«, sagt sie zu ihrem Mann, während sie in den Wagen geschoben wird.
    Er runzelt die Stirn. Will sie jetzt aufgeben? Er kann es nicht glauben.
    Â»Wenn sie wieder da ist, schicken wir sie nirgendwohin«, sagt seine Frau.
    Er nickt. Irgendwie freut er sich, dass sie »wenn« und nicht »falls« gesagt hat. Er hätte gerne ihr Vertrauen, ihre Fähigkeit zum Hoffen.
    Wenn Emilia und Charlotta nur wüssten, dass sie in diesem Moment ihr Ziel erreicht haben …
    Doch zu welchem Preis?

Blanke gefährliche Wut
    J ulius beißt sich auf die Lippe. Er ärgert sich. Die Notaufnahme ist gerade besetzt. Er wollte nur kurz in das Behandlungszimmer, um die Kamera wieder zurückzubringen. Er steht vor der Tür, überlegt kurz. Er entscheidet sich für die schnelle Nummer. Entschlossen drückt er die Klinke runter, geht mit forschen Schritten rein.
    Â»Ist Dr. Krause hier? Ich soll ihn suchen.«
    Die behandelnde Ärztin schaut irritiert auf. Sie ist gerade mit einer Frau beschäftigt, die erstens eine fiese Schnittverletzung im Gesicht und offenbar große Schmerzen hat. Obwohl das Gesicht abgedeckt ist, hört er das Schluchzen. Auf einem Stuhl in der Ecke sitzt ein Mann, der grauenhaft aussieht. Grau im Gesicht, einen wirren Blick, müde irgendwie.
    Â»Wieso wird Dr. Krause dann nicht angefunkt? Arbeiten wir wirklich noch mit dem Botensystem? Ist auf Ihrer Station noch nicht angekommen, dass es moderne Kommunikationsmethoden wie Piepser oder Handy gibt?«, fragt sie bissig.
    Â»Entschuldigung«, sagt Julius sofort, dreht sich um und reißt absichtlich einen Ablagekorb vom Schreibtisch hinunter. »Entschuldigung«, sagt er wieder und beginnt, alles sofort wieder aufzuheben. Dabei zieht er die Kamera aus seinem Kittel, deponiert sie nebenbei auf dem Schreibtisch.
    Â»Sind Sie bald fertig?«, faucht die Ärztin.
    Â»Bin schon weg«, antwortet Julius schnell und ist schon durch die Tür.
    Mission erledigt. Mit guter Laune macht er sich auf den Weg zur Neurochirurgie. Er will noch kurz nach Emilia sehen, ehe er seinen Dienst anfängt.
    Ein paar Meter vor ihrem Bett bleibt er abrupt stehen. Die gute Laune hat sich in blanke Panik verwandelt. Emilia brabbelt irgendwas vor sich hin. Das darf doch nicht wahr sein! Wenn die jetzt ihren Eltern von Lotta erzählt und davon, dass sie ihm den Schlüssel für den Keller gegeben hat? Julius
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