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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition)
Autoren: Katja Lange-Müller
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verlagerte ich meine kleinkriminelle Energie mehr und mehr auf die Kundschaft; ich rundete nicht ab, wie Franz es mir nahegelegt hatte, sondern nahm grundsätzlich ein paar Groschen extra – für Farn, Blattwerk, Gras, die eigentlich umsonst, genauer im Blumenpreis bereits enthalten waren.
    An jenem Samstag vor unserem Essen hatte ich Franz belogen und zum ersten Mal beklaut, denn Spargel, selbst der griechische, war Mitte April noch sehr teuer. Außerdem brauchten wir Bier, Wein, Käse, Obst, Torte, Schokolade, Cognac, Scotch, Williamsbirnenbrand …

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V
    Seit Sonntag vormittag wirtschaftete ich wie für eine Hochzeit. Die klare Fleischbrühe, der Vanillepudding mit gewürfelten Äpfeln, Orangen, Ananas und der bunte Blattsalat samt separater Marinade waren bereits fertig, der Spargel auf dem Feuer. Gerade hatte ich begonnen, die schön dünn geklopften Kalbsschnitzel schon mal in Mehl, Eierpampe und Bröseln zu wenden, als es klingelte, Sturm, und nicht von unten, nein, unmittelbar hinter mir, an der Wohnungstür. Vor Schreck griff ich mir mit der panierten Linken ins Haar. Zwischen zwei Klingelintervallen Geflüster; sofort erkannte ich eure Stimmen. Du lachtest – laut und dreckig. Danach war mir, obwohl ich mich mit der Semmelpampe im Haar und der fleckigen Schürze am verschwitzten Leibe auch ziemlich dreckig fühlte, absolut nicht zumute. Ihr wart verfrüht, um fast zwei Stunden. Nach den letzten Vorbereitungen für unser Essen hatte ich mich waschen, frisieren, schminken, anziehen und den Tisch decken wollen. Doch nun konnte ich mir nur noch die Schürze vom Bauch reißen, die alten Jeans ab- und das Hängerkleid wieder überstreifen. Moment, komme, blökte ich blöd, polterte zurück in die Küche, riß zwei Stühle um, sprang, von einem Funken Vernunft erleuchtet, über sie hinweg zur Duschkabine, drehte den Hahn auf, hielt den Kopf unters kalte Wasser und bekämpfte erfolglos die aufsteigenden Tränen. Daß ihr die nicht als solche erkennen würdet, wenn ich in zwei, drei Minuten mit tropfendem Schopf vor euch stünde, war mein einziger Trost.
    »Entschuldige, aber uns war so öde. Vielleicht können wir dir ja ein bißchen was helfen?« Deine linke Hand streckte mir eine eingewickelte Flasche entgegen, mit der anderen wolltest du meine rechte ergreifen. Doch ich verschränkte die Arme über der Brust und schaute dich so lange an, bis du nicht mehr aussahst, als sei alles in Butter.
    Du schwiegst, aber Benno sagte: »Guten Tag. Wir haben uns nichts Schlimmes dabei gedacht.«
    Ich nickte stumm, gab euch Besteck, Teller, Gläser, ein Tafeltuch, die dazu passenden Stoffservietten und schickte euch ins Zimmer. Doch binnen kurzem wart ihr wieder bei mir; Benno lehnte sich gegen die Seitenwand der Duschkabine, du setztest dich mit einer Pobacke auf den Kühlschrank. Es war, obwohl ich die beiden Stühle aufgehoben, übereinandergestapelt und in die einzige freie Ecke geschoben hatte, verdammt eng in der kleinen Küche, noch enger als sonst, und während ich, das Fleisch bratend, mein Haar über der Pfanne trocknete, hörte ich euch quasseln.
    »Ist nicht gerade gutbürgerlich, die Bleibe«, sagtest du.
    »Dusche in der Küche? Ne Badewanne wäre viel schöner. Wir könnten sie hier in die Mitte stellen und einen Gartenschlauch an den Hahn über der Spüle schrauben«, sagte Benno.
    »Riecht ja wirklich stark«, sagtest du.
    »Besser erstunken als erfroren«, sagte Benno.
    So, jetzt Maul halten, ab ins Zimmer, hinsetzen und Maul wieder auf; die Schnitzel sind fertig, sagte ich.
    Es wurde, soweit ich mich erinnern kann, kein übler Abend. Ihr lobtet mich mehr, als ihr aßet, ich wiederum trank mehr als ihr, viel mehr. Daß du dir aus Essen wenig und aus Alkoholischem gar nichts machtest, Wein dir »widerlich« war wie »fauler Traubensaft«, das – und manches andere – gestandest du mir erst später.
    Irgendwann in dieser Nacht mußte ich meinen Stuhl verlassen, mich auf eine der beiden Matratzen gesetzt haben und dort, so wie ich war, in Schlaf gesunken sein.
    Als ich erwachte, vor Durst oder vom Vogelgeschrei oder dem Morgenlicht, das durchs Fensterglas fiel, und um mich blickte, bemerkte ich dich auf der zweiten Matratze, nur dich; Benno war wohl gegangen, zumindest nicht in deiner Nähe. Ich stolperte, dem Tisch mit den Resten unseres Mahls und meines Gelages gerade noch ausweichend, in den Flur, stieg, da ich Benno auch dort und in der Küche nicht begegnet war, aus meinem zerknitterten,
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