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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition)
Autoren: Myla Goldberg
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präziser als alles unterhalb des Halses. Auf dem ersten Bild sah man vier Mädchen im Kreis um ein fünftes, das die Hände über Kreuz hielt, als seien sie gefesselt. Auf dem nächsten stritten zwei Mädchen schon fast übertrieben erbittert – dass es keine Karikatur war, verriet nur der tödliche Ernst in ihren Mienen. Das eine Mädchen erinnerte an eine der Porträtaufnahmen von Celia an der Wand mit den Familienbildern – kinnlanges, hinter die Ohren gestrichenes Haar, die Nase noch ein gutes Stück von ihrer endgültigen, klassischen Länge entfernt –, doch ihr Gesicht war zur grausamen Fratze verzerrt, es war zur Waffe geworden.
    Auf dem letzten Bild saß ein Mädchen mit einem dunklen Pferdeschwanz ein Stück abseits von zwei anderen. Eine davon war Celia; der Schmerz in ihren Zügen erinnerte Huck an das berühmte Gemälde von Munch mit jenem Bild gewordenen, abgrundtiefen Gefühl, das gleich einem unheilvollen Kometen nur selten zu sehen ist, in Augenblicken größten Verlustes. Huck wünschte, er wäre dabei gewesen, doch damals war er selbst erst zehn gewesen und lebte in Cleveland, mehr als ein Jahrzehnt von der ersten Begegnung mit Celia entfernt. Er beneidete Josie um das, was sie gesehen hatte, und schämte sich deswegen, ohne dass sein Verlangen darum geringer geworden wäre. Die Erkenntnis, dass ihm dieser Wunsch früher oder später erfüllt werden mochte, verdeckte einen Moment lang die Tatsache, dass Celia dabei die Leidtragende sein würde. Sofern sie noch zusammen waren, wenn der Lebensplan einen neuen, schmerzlichen Verlust für Celia bereithielt, würde Huck dem schmählichen Trieb, seine Geliebte bis in die letzte Faser ihres Wesens kennen zu wollen, nachgeben.
    Er schaltete den Computer aus und horchte ins Treppenhaus. Perfektes Timing – gerade deckte Noreen den Frühstückstisch. Er würde sich widerstandslos von ihr bemuttern und von Warren mit Musikmonologen berieseln lassen. Sich mit seinen mutmaßlichen Schwiegereltern zu arrangieren war nicht viel anders gewesen, als Frieden mit seinen eigenen Eltern zu schließen, nur effizienter: Komprimiert auf ein paar Weihnachtsbesuche und ohne dass sie etwas davon mitbekamen, hatte Huck es über unkritische Billigung und reflexartige Ablehnung zur Akzeptanz gebracht – was ihn in seiner Auffassung bestärkte, dass das Erwachsenenalter Menschen weniger veränderte als ihnen vielmehr die Kanten abschliff. Doch nun fragte er sich, ob es in diesem Reifungsprozess nicht vielleicht so etwas wie ein Larvenmodell gab. Vielleicht verwandelte das Kind sich ja in einen völlig anderen Organismus und entledigte sich seiner Überreste mitsamt dem Kokon. Würde die Celia, die er kannte, für Freunde erkennbar sein, die nur ihrer früheren Erscheinungsform begegnet waren, oder wären sie von der jetzigen Celia ebenso verblüfft wie er von dem Mädchen, das sie angeblich einst gewesen war?

[zur Inhaltsübersicht]
    22. Kapitel
    Lees Stimme hallte auf der Rückfahrt von Pritchard in Celia nach. Sie ließ in Gedanken alles noch einmal ablaufen – wie er in der Tür gestanden und ihr ein Glas Wasser gebracht hatte, seine Aufzählung all der Dinge, die sie vergessen hatte, plus der, die zu wissen sie kein Recht besaß. Jeder einzelne ihrer Fehler lag ihr im Magen wie ein Stein.
    Auf der Zufahrt stand Jeremys Wagen. Celias Vater erwartete sie hinter der Haustür.
    «Da ist sie!», verkündete er Daniel, der sich in seinen Armen wand. «Da ist Tante Cee Cee.»
    «Nein», erklärte Daniel und reckte ihr sein mit Krümeln übersätes Gesicht hin.
    «Hallo, Daniel», sagte Celia und nahm einen angedeuteten, nassen Wangenkuss von ihrem Neffen entgegen. Hinter ihm tauchten Jeremy und Huck im Flur auf.
    «Hey, Cee», sagte Jeremy. Seine Umarmung roch nach Babypuder. «Darf ich vorstellen, Professor Neinstein.»
    «Nein», sagte Daniel und streckte die Arme nach seinem Vater aus.
    Für Bruder und Schwester wurden Celia und Jeremy nur in Gesellschaft ihrer Eltern gehalten, deren hervorstechende Eigenschaften sich gleichmäßig auf sie verteilt hatten. Jeremy hatte das schwarze Haar und die kastanienbraunen Augen seines Vaters, doch seine Augen standen eng zusammen wie bei Noreen, und anders als die von Celia tendierten seine Gesichtszüge insgesamt mehr zur Mitte, als hätte zu befürchten gestanden, dass der Platz womöglich nicht ausreichte. Beide waren hochgewachsen, Celia dabei schlaksig und Jeremy eher der Typ, den man bei steifem Wind oder beim Hüpfen
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