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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm
Autoren: Patricia Cornwell
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Ein paar Momente lang rannte ich ziellos herum und überlegte fieberhaft, was ich tun sollte, dann fiel mir die Tür neben dem Holzstoß ein. Ich sperrte das Schloß auf, löste die Sicherheitskette und stand plötzlich im sonnigen Hinterhof. Zu sehen oder zu hören war nichts, aber ich ging davon aus, daß Mrs. Steiner mich beobachtete. Sie mußte wissen, daß ich auf diesem Wege herauskommen würde, und mir wurde mit wachsendem Schrecken klar, was auf mich zukam. Sie wollte mich gar nicht einsperren. Sie sperrte mich aus ihrem Haus aus, um sicher zu sein, daß ich nicht wieder die Treppe heraufkam.
    Mein Gott, Marino. Plötzlich zitterten meine Hände so heftig, daß ich Marinos Wagenschlüssel kaum aus der Tasche ziehen konnte, während ich um die Ecke zur Auffahrt rannte. Ich schloß seinen glänzend polierten Chevrolet auf der Beifahrerseite auf. Die vernickelte Winchester lag wie immer unter dem Vordersitz.
    Das Gewehr fühlte sich in meinen Händen kalt wie Eis an. Ich ließ die Wagentür weit offenstehen und rannte zum Haus zurück. Wie erwartet, war die Eingangstür verschlossen, aber sie hatte rechts und links Glaselemente. Eines davon zerschlug ich mit dem Kolben des Gewehrs. Das Glas splitterte, und die Scherben fielen innen weich auf den Teppich. Ich wickelte meinen Schal um die Hand, griff vorsichtig hinein und drehte den Schlüssel um. Einen Moment später rannte ich auch schon die läuferbedeckten Treppenstufen nach oben. Es war, als hätte ich meinen Verstand ausgeschaltet oder wäre jemand anders, jedenfalls war ich in diesem Moment mehr Maschine als Mensch. Und es gab nur ein Ziel: das Zimmer, das gestern abend erleuchtet gewesen war.
    Die Tür war zu. Ich öffnete sie, und da saß Denesa Steiner ruhig auf der Bettkante. Neben ihr lag Marino mit einer Mülltüte über dem Kopf. Um den Hals war sie mit Klebeband zugeschnürt. Die nächsten Dinge geschahen alle gleichzeitig. Ich entsicherte das Gewehr und lud durch. Mrs. Steiner griff nach Marinos Pistole auf dem Nachttisch und stand auf. Wir legten aufeinander an, und ich schoß. Ein ohrenbetäubender Knall. Der Schuß traf sie wie ein heftiger Windstoß. Sie fiel rückwärts gegen die Wand, während ich repetierte und feuerte, repetierte und feuerte, wieder und wieder.
    Langsam glitt sie an der Wand zu Boden, blutige Schlieren zogen sich über die Kindertapete, Rauch und der Geruch von verbranntem Pulver hingen in der Luft. Ich riß die Tüte von Marinos Kopf. Sein Gesicht war blau angelaufen, und an der Halsschlagader war kein Puls mehr zu fühlen. Ich preßte seine Brust zusammen und blies ihm Luft in die Lungen. Nach dem vierten Pressen fing Marino keuchend wieder an zu atmen.
    Ich griff nach dem Telefon und wählte die 911. »Ein Polizeibeamter in Lebensgefahr! Eine Ambulanz!« schrie ich.
    »Ma'am, wo sind Sie?«
    Ich hatte keine Ahnung, wie die Adresse lautete. »Das Steiner-Haus! Bitte, beeilen Sie sich!« Ich legte den Hörer nicht auf. Ich versuchte, Marino im Bett aufzurichten, aber er war zu schwer. »Komm doch. Komm.«
    Ich drehte sein Gesicht auf die Seite und zog mit den Fingern sein Kinn nach vorn, damit seine Atemwege frei blieben. Dann sah ich mich nach irgendwelchen Pillenfläschchen um oder sonst nach einem Hinweis darauf, was Mrs. Steiner ihm eingegeben haben konnte. Auf dem Nachttisch standen leere Schnapsgläser. Ich roch daran. Es war Bourbon gewesen. Wie betäubt starrte ich zu der Toten hinüber. Überall Blut und Gehirnmasse. Plötzlich zitterte ich wieder, als hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Denesa Steiner saß zusammengesunken mit dem Rücken zur Wand in einer immer größer werdenden Blutlache. Ihre schwarze Kleidung war blutgetränkt und durchlöchert wie ein Sieb. Der Kopf hing zur Seite. Blut tropfte auf den Boden.
    Es schien ewig zu dauern, bis das Heulen der Sirenen näher kam und verstummte. Ich hörte mehrere Menschen die Treppe hinaufstürmen. Eine Krankentrage wurde aufgeklappt, und dann war irgendwie Wesley da. Er nahm mich in die Arme und hielt mich fest, während Männer in Overalls sich um Marino kümmerten. Rote und blaue Blinklichter blitzten vor dem Fenster, und erst jetzt fiel mir auf, daß ich die Scheibe durchschossen hatte. Ein eisigkalter Wind blies herein, blähte die blutbespritzten Vorhänge wie Ballons auf, ließ sie vor einem blaßgelben Himmel flattern. Vor mir die eisblaue Bettdecke und rundherum Plüschtiere. Am Spiegel klebte das Abziehbild eines Regenbogens, und an der Wand hing
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