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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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hervorragenden Beispielen
    der Verschwendung und Habgier, des Aberglaubens,
    der Wollust, der Gefräßigkeit, Mordgier, Verschlagen-
    heit und Eitelkeit rings umgeben war. Am gründ-
    lichsten jedoch unterzog er sich dem Studium der
    Liebe, deren Leiden und Freuden er bis zur Neige an
    sich selber erfuhr.
    Eines Tages nämlich, um die Zeit der Ostern, ver-
    mutlich im Jahre , erblickte er in einer Kirche zu
    Neapel die Dame, welche sein Herz zu Lust und Pein
    von da an jahrelang gefangen hielt. Diese war Donna
    Maria, die natürliche Tochter des Königs Robert, wel-
    

    Die Pest in Florenz
    
    che für eine Tochter des Grafen von Aquino galt und
    mit einem angesehenen Edelmann vermählt war. Die
    schöne und vornehme Dame betrachtete bald auch von
    ihrer Seite den hübschen jungen Florentiner mit Teil-
    nahme und ist eine lange Zeit, nicht ohne Gewissens-
    bisse und Furcht vor ihrem Eheherrn, seine Geliebte
    gewesen. So genoß, wie in der schönsten Abenteuer-
    novelle, der Bastard eines kleinen Kaufmanns die
    Tochter eines großen Königs.
    Über alledem ließ Boccaccio das kanonische Recht
    unbehelligt in den Pergamentrollen schlummern und
    vom Lehrstuhl ertönen. Er trieb nach seiner Neigung
    Latein und Astrologie, im übrigen wandte er sich der
    heiteren Seite des Lebens zu und ward nach Kräen
    seiner Jugend froh. Er verfaßte in diesen Jahren, zu-
    meist für seine Geliebte, eine unglaubliche Menge von
    Gedichten und mehrere Romane, von welchen heute
    niemand mehr redet. In diesen legte er seiner Dame den
    Namen Fiammetta bei, und noch manche Jahre später
    hat er in wehmütiger Liebeserinnerung diesen Namen
    einer von den Damen des Dekameron gegeben. Ohne
    Zweifel ist jene Zeit die heiterste und glücklichste in
    seinem Leben gewesen. Allein, wie wir sehen, daß
    auch den goldensten Tagen zu früh die Sonne sinkt, so
    nahm auch diese Lust zu ihrer Zeit ein Ende.
    Im Jahre  befahl der Vater seinem Sohne, nach
    Florenz zurückzukehren, und nach längerem Zögern
    machte dieser sich unmutig auf den Heimweg. Der
    Alte, für den Giovanni ohnehin keine allzu starke Zärt-
    
    lichkeit empfand, hatte inzwischen auch noch eine ge-
    wisse Monna Bice Bostichi geheiratet, worüber der
    heimkehrende Sohn nicht eben erfreut war. Es gescha-
    hen jedoch weit schlimmere und wichtigere Dinge,
    über welchen er diese kleineren Sorgen vergaß. Es war
    die Zeit, in welcher der in Florenz so übel beleumdete
    Herr Gautier von Brienne, genannt Herzog von Athen,
    sich für eine kurze Zeit zum Tyrannen der Stadt empor-
    schwang. Dieser war ein frecher Abenteurer und hatte
    im Solde der Republik gegen Pisa gedient, warf sich nun
    aber mit Hilfe des niedrigsten Pöbels zum Herrscher auf
    und schlüre die Monate seiner Herrlichkeit zügellos
    wie ein Trunkener den letzten Becher. Die Stadt und das
    ganze Staatswesen drohten in Trümmer zu gehen.
    Boccaccio, ein unbestechlicher Republikaner, hat
    das Schicksal des Herzogs von Athen, der mit Schimpf
    von der Bürgerscha vertrieben wurde, in einer Ab-
    handlung beschrieben. Nun schienen ihm allmählich
    die Zustände in Florenz und im väterlichen Hause so
    wenig erträglich, daß er schon im Jahre  von
    neuem nach Neapel ging. Die Rechtsgelehrtheit hatte
    er schon früher aufgegeben. Und so genau er auch im
    Dekameron die Pest in Florenz geschildert hat, ist er
    zurzeit derselben doch nicht daselbst gewesen, sondern
    in Neapel, wo freilich der schwarze Tod nicht weniger
    grauenha wütete. Es starb damals auch seine Geliebte
    Maria, und er widmete ihrem Tode zwar einige trau-
    ernde Verse, jedoch war seine ursprünglich so heige
    Leidenscha mit den Jahren erloschen. Es scheint au-
    
    ßerdem, als habe Donna Maria ihn schon früher wieder
    fahren lassen, obwohl er in seiner Erzählung Fiammetta
    das Gegenteil darstellt. Nicht lange darauf starb auch
    sein Vater, und er mußte wieder nach Florenz zurück-
    kehren.
    Von da an erblicken wir sein Bild verändert; sein Le-
    ben verlief ohne heige Erschütterungen, und er alterte
    als ein tüchtiger und angesehener Bürger. Im Alter von
    ungefähr  Jahren schrieb er sein unsterbliches Deka-
    meron , und man könnte glauben, er habe alle seine
    Schalkhaigkeit und fröhlich lachende Untugend darin
    liegen lassen. Nur noch einmal widerfuhr ihm eine bit-
    tere Liebesgeschichte. Er verliebte sich heig in eine
    vornehme Witwe, welche ihm aber einen bösen
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