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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren
Autoren: Hans Girod
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die Rechtstreue der Allgemeinheit im Sinne einer positiven Generalprävention festigen. Der moderne Srafvollzug befindet sich aber in einer permanenten Zwickmühle: Einerseits zwingt die von der Gesellschaft mit Recht erwartete Zweckorientierung auf sichere Verwahrung, Läuterung und Besserung, aber auch Abschreckung, die Justizvollzugsbehörden zur Durchsetzung eines strengen Reglements der Disziplinierung und Einschränkung individueller Bedürfnisbefriedigung. Andererseits bildet die Strafvollzugspraxis mit ihrer zunehmenden Humanisierung und das durchaus verständliche Unverständnis in der Gesellschaft einen immer währenden Reibungspunkt.
    Frühere Bemühungen, das Strafvollzugsziel primär durch Resozialisierung zu verwirklichen und die Delinquenten durch Erziehung in der Freiheitsstrafe zu befähigen, ihr künftiges Leben normkonform und in sozialer Verantwortung zu führen, wurden angesichts der unaufhaltsamen Rückfallquote ad absurdum geführt und weitgehend aufgegeben.
    Die DDR-Kriminologie erklärte diese Probleme sogenannter bürgerlicher Strafpolitik – wie überhaupt die Ursachen der Kriminalität – mit »der auf Privateigentum an Produktionsmitteln basierenden sozialökonomischen Grundstruktur der kapitalistischen Gesellschaft«, die derlei Erscheinungen gesetzmäßig hervorbringe. In Abgrenzung dazu entwickelten Kriminalpolitik und Pönologie der DDR eigene Modelle mit sozialistischen Inhalten.
    Grundgedanke war dabei, daß sich im Sozialismus die Produktion unter den Bedingungen des Gemeineigentums vollziehe und diese Eigentümerstellung sich nur durch aktive Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion verwirkliche. Ein neues Verhältnis zur Arbeit, das sich infolge der Beseitigung des Privateigentums auf den Wegfall von Habgier, Neid, Egoismus und Individualismus zu Gunsten eines besseren Menschen gründe, wurde postuliert. Vermeintlich frei von Ausbeutung sollte die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis entwickelt werden.
    Das Strafvollzugsgesetz (StVG) der DDR fußte auf diesen Grundsätzen. Mehrmals novelliert, erreichte es in seiner Fassung vom 7. April 1977 (GBl. der DDR Teil 1, Nr. 11) den letzten Stand. Es sollte der Strafpolitik kapitalistischer Länder, die sich im »Teufelskreis der menschenfeindlichen Ausbeuterverhältnisse und ihrer ständigen Produktion von Kriminalität längst unrettbar verfangen« hätte, einen wahrhaft humanistischen Charakter entgegen setzen. »Inhalt und Gestaltung des Vollzuges mit Freiheitsentzug werden durch das humane Wesen des sozialistischen Staates bestimmt« (§ 2 Abs. 1 StVG). Folgerichtig wurde die Erziehung durch »kollektive gesellschaftlich nützliche Arbeit« (verbunden mit staatsbürgerlicher Schulung) in den Mittelpunkt des Strafvollzuges gestellt. Die Gefangenen waren deshalb zur Arbeit verpflichtet (§ 2 Abs. 1 StVG).
    Im übrigen setzte sich dieser Grundgedanke auch bei der Resozialisierung (nach dem erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte geschaffenen »Wiedereingliederungsgesetz«) fort, wonach allen aus der Haft Entlassenen Wohnung und Arbeit zugewiesen wurde, freilich unter den Bedingungen strenger Auflagen und Kontrolle (§ 48 StGB der DDR).
    Die zumeist körperlich schwere oder gesundheitsschädigende Tätigkeit der Gefangenen erfolgte in volkswirtschaftlichen Schwerpunktbetrieben (z. B. in der Zementproduktion, Maschinen- und Eletrogeräteherstellung, Möbelindustrie), mit denen entsprechende Vereinbarungen bestanden oder die direkt in die Strafvollzugseinrichtungen integriert waren.
    Außerhalb der Arbeit spielte sich das Leben grundsätzlich in zumeist überbelegten Gemeinschaftsräumen ab.
    Das StVG und seine Durchführungsbestimmungen regelten die Grundsätze des sogenannten allgemeinen und erleichterten Vollzugs hinsicht der »Gestaltung des Erziehungsprozesses«, der Rechte und Pflichten der Gefangenen, der Unterbringung, Versorgung, der Kontakte nach »draußen« sowie der Disziplinarmaßnahmen. Hausordnungen der jeweiligen Vollzugseinrichtung spezifizierten diese Rechtsverbindlichkeiten. Freigang und Urlaub, wie sie heutzutage üblich sind und die in vielen Fällen in der Allgemeinheit auf Unverständnis stoßen, gab es nicht.
    Das »Organ Strafvollzug« war ein separierter Dienstzweig der Deutschen Volkspolizei und folglich militärisch strukturiert. Wichtige Funktionen bei der Disziplinierung der Gefangenen und Regulierung ihres Tagesablaufs erfüllte vor allem der »operative Aufsichtsdienst«, die Wachposten, der
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