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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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hatten, beugten sich ihrem Willen, ihre Sippe folgte ihren Befehlen als Anführer,
     und Mador würde sie mit ihren Klauen zerfetzen, wenn sie ihn nicht mehr brauchte. Nicht er hatte Muruk zu seiner Rückkehr
     verholfen – sie war es gewesen, stellte Xiria überzeugt fest. Es wäre nur gerecht, wenn sie auch der Anführer der Anführer
     sein würde. Muruk würde ihr die Macht schenken müssen, nicht ihm, dem armseligen Menschenpriester. Sie bedachte Ilana ein
     letztes Mal mit einem angewiderten Blick und gab dann das Zeichen zum Aufbruch. Es war an der Zeit, sich um die Menschin zu
     kümmern, die in Dungun war.
     
    Degan zwang sich, nicht nach unten zu blicken, während er seine Finger tief in die Rillen der Steine grub. Nur eine falsche
     Bewegung, ein Fehltritt, und er würde stürzen. Schon immer war er ein |414| geschickter Kletterer gewesen, doch dieser Wehrturm besaß keine griffigen Äste oder Astlöcher wie ein Baum. Degan kostete
     es alle Körperbeherrschung, sich an den Steinen festzukrallen. Die Hälfte des Turmes hatte er geschafft, doch noch immer musste
     er damit rechnen, zu Tode zu stürzen.
    Obwohl er sich matt und augelaugt fühlte, musste er Lin helfen. Sie war seine Schwester, und sie hatte ihm nie etwas getan.
     Lin sollte nicht für seine Entscheidungen büßen. Sie trug die Tränen Salas um den Hals. Wer hatte sie ihr gegeben – Ilana?
     Schwach erinnerte Degan sich daran, dass die Tränen ihm bestimmt gewesen waren und dass es seine Aufgabe gewesen wäre, Dungun
     und Muruk zu vernichten. Aber er hatte sich für einen anderen Weg entschieden, er war nicht verantwortlich für den Streit
     zweier Götter, er war nicht verantwortlich für das Volk der Menschen – nur für Lin fühlte er sich verantwortlich, denn sie
     war unschuldig an all dem, was geschehen war. Er liebte Lin nicht, wie er Xiria liebte, doch er konnte es nicht zulassen,
     dass Xiria oder Mador sie töteten.
    Degan fluchte, als er mit dem Fuß abrutschte und der Stein, auf dem er sich hatte abstützen wollen, aus der Mauer brach. Im
     letzten Moment fand sein Fuß Halt auf einem anderen Stein. Schwer atmend ob der Anstrengung, die ihn das Klettern kostete,
     setzte er seinen Weg fort. Als er erneut abrutschte und dieses Mal keinen Halt fand, stieß er einen Schrei aus. Mit rudernden
     Armen fiel er in die Tiefe. Degan verabschiedete sich in Gedanken von seinem Leben und prallte dann hart mit dem Rücken auf
     den sandigen Boden der Straße. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch Rücken und Brust. Er meinte sich alle Rippen gebrochen
     zu haben, doch immerhin lebte er noch.
    Nach einer Weile jedoch ließ der Schmerz nach. Mühselig rappelte er sich auf und streckte die schmerzenden Glieder. Xiria
     hatte Lin in den Tempel gebracht, und er betete darum, dass sie noch lebte. Degan erinnerte sich an einen Namen, den Xiria
     immer wieder ausgesprochen hatte: Mador! Er war der oberste Diener Muruks, |415| und er war bei ihr. Degan drehte sich der Magen um. Vielleicht würden Salas Tränen Lin schützen können – vielleicht.
    Degan sah sich kurz gehetzt um, doch die Straßen waren leer. Wenn Dungun einst eine belebte Stadt gewesen war, so war davon
     nicht mehr viel zu erkennen. Die wenigen Bewohner verließen kaum ihre armseligen Häuser. Mador schien nicht so stark zu sein,
     wie er es gerne gewesen wäre.
    Mit schnellen Schritten nahm Degan die wenigen Stufen zum Heiligtum und legte sein Ohr an die Tempelpforte. Er konnte nichts
     hören. Degan schob die schwere Holztür auf und trat in den Tempel, als wäre er ein willkommener Gast. Er konnte Lin erkennen
     – sie saß zusammengekauert, die Arme um ihre Knie geschlungen, vor einem großen Mann in Priestergewandung. Das konnte niemand
     anderes als Mador sein, und ein Blick in die Augen des Priesters verriet Degan, dass auch er wusste, wen er vor sich hatte.
    »Der Auserwählte Salas, der Sohn des dunklen Greifen«, ergriff Mador als Erster das Wort und winkte ihn näher heran.
    »Lass sie gehen!« Degan bemühte sich um eine befehlsgewohnte Stimme, doch Mador beobachtete ihn interessiert.
    »Das kann ich nicht, mein dummer liebestoller Halbgreif. Sie trägt die Tränen Salas, und ich kann sie nicht berühren. Wenn
     sie freiwillig die Kette ablegt, lasse ich sie gehen.«
    Degan wusste in dem Augenblick, in dem Mador die Worte ausgesprochen hatte, dass er log. Er würde Lin niemals gehen lassen.
     »Ich kann dich töten, Diener des Muruk. Ich bin der Auserwählte Salas«,
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