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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger
Autoren: M Bomm
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durfte dann in diesem Lande deren Einhaltung nicht öffentlich laut und deutlich gefordert werden?
    Häberle war sich im Klaren, dass er die Antwort darauf während seines Berufslebens nicht mehr finden würde. Inzwischen hatte er resigniert. Jahrelang hatte er mit den lokalen Abgeordneten diskutiert – doch von Mal zu Mal hatte er den Eindruck, sie wollten ihn gar nicht anhören, sondern mit schubladengerecht vorbereiteten Statements ihrer Parteisprecher mundtot machen – zumindest ihm aber das Gefühl geben, dass er als Provinzler von den globalen Zusammenhängen überhaupt nichts verstand. Wenn die Damen und Herren Politiker über ihr globales Denken hinweg nur nicht eines Tages aufwachten, wenn’s daheim plötzlich krachte.
    In diesem Augenblick meldete sich Häberles Handy. Er fühlte sich dabei ertappt, die Lage zu Hause aus den Gedanken verloren zu haben. Die Nummer auf dem erleuchteten Display deutete auf keinen deutschen Anrufer hin. Häberle nahm das Gespräch an und meldete sich mit einem knappen »Hallo!«
    »Entschuldigen Sie«, hörte er eine Männerstimme in klarem Deutsch. »Sind Sie der Kommissar Häberle?«
    »Bin ich«, brummte er. »Und Sie?«
    »Harald Maronn. Wir kennen uns.«
    Häberle holte tief Luft. »Maronn? Hab ich das richtig verstanden?«
    »Ja. Maronn. Darf ich Sie kurz stören?«
    »Maronn. Ich denke, Sie sind … im Gefängnis.«
     
    Die Geländewagen des SEK hatten keinerlei Mühe, die tief verschneite Zufahrt zum Naturschutzzentrum zu bewältigen. Gut ein halbes Dutzend Männer sprangen in Kampfanzügen aus den Fahrzeugen, gleichzeitig wurde ein Lichtmast ausgefahren und die Szenerie in gleißendes Halogenlicht gehüllt. Mittlerweile war auch Humstett über das Gerüst aus dem Haus gekommen und hatte Linkohr erklärt, dass der junge Mann das Bewusstsein wiedererlangt habe und es ihm den Umständen entsprechend gut gehe.
    Während Kerstin dem Chef des SEK in aller Eile einige Details erläuterte, wollte Linkohr von Humstett wissen, um wen es sich bei der Person handle, die er bis hierher beschattet habe. Doch bevor der Angesprochene etwas sagen konnte, blies ihm eine Orkanböe eine kräftige Abgasladung aus einem Stromaggregat in den Mund. Gleichzeitig wurde entlang des zweiten Obergeschosses laut scheppernd ein langes Trittbrett aus dem Gerüst gerissen, durch die Luft geschleudert und wild drehend zu Boden geworfen. Einige der Männer zuckten zusammen, als sie im Lichtkegel der Scheinwerfer einen großen Schatten über sich bemerkten. Reflexartig nahmen sie mit den Armen eine Abwehrhaltung, schrien »Achtung« und versuchten – nach allen Seiten voneinander wegrennend –, dem heruntersausenden Brett zu entkommen. Einige stolperten, stürzten und landeten im tiefen Schnee.
    Drei SEK-Beamte jedoch konnten sich nicht mehr rechtzeitig aus dem Absturzbereich in Sicherheit bringen. Das Brett traf sie am Kopf und riss sie zu Boden. Doch zur Erleichterung ihrer Kollegen hatten offenbar die Schutzhelme Schlimmeres verhindert. Die Männer hievten liegend das Brett beiseite, wurden von hinzueilenden Uniformierten dabei unterstützt und rappelten sich auf. Linkohr war mit Kerstin über die Zufahrt weit genug vom Haus geflüchtet, um vor weiteren losen Gegenständen sicher zu sein. Irgendetwas Metallisches zerrte im Rhythmus der Böen heftig an einer Verankerung. Das drohende Geräusch kam von oben.
    »Vorsicht, Achtung!«, übertönte eine aufgeregte Männerstimme das Rauschen und Heulen des Orkans. Die Männer stoben erneut auseinander. Augenblicke später löste sich eine Metallstrebe aus dem Gerüst und krachte auf den Vorplatz hinab.
    Die SEK-Beamten zeigten sich davon kaum beeindruckt. Linkohr nahm es aus der Distanz zufrieden zur Kenntnis. Die Burschen und Mädels, so dachte er, ließen sich durch nichts von ihrer Arbeit abhalten. Und wenn der Teufel auf Stelzen daherkam, fiel Linkohr plötzlich eine Formulierung seiner Großmutter ein, wenn sie mit drastischem Vergleich zum Ausdruck bringen wollte, wie furchtlos eine bestimmte Person war.
    »Die wollen das ganze Gelände absuchen – und auch drumherum«, stellte Linkohr fest und hatte sich ganz dicht an Kerstins linkes Ohr geneigt, um die Sturmgeräusche zu übertönen.
    »Ist auch besser für den Geflüchteten«, meinte Kerstin und kam dicht an sein Gesicht. »Wenn da einer heut Nacht hier oben rumirrt, erlebt er das Morgengrauen nicht.«
     
    »Sie haben mich wieder laufen lassen«, sagte Maronn. Seine Stimme klang
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