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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger
Autoren: M Bomm
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Sofort flammten mehrere starke Handlampen auf, die den Spuren im Schnee folgten. Alles deutete darauf hin, dass der Geflüchtete über ein metallenes Tor geklettert war, mit dem ein Teil des Areals abgegrenzt wurde. Dahinter glitzerten schneebeladene Bäume und Sträucher, bei denen die Beamten ihre Verfolgung beendeten. Sie brauchten Unterstützung und Licht.
    »Dort unten stehen zwei Fahrzeuge, ein BMW und ein Mercedes!«, rief einer der Streifenbeamten und deutete den Zufahrtsweg hinab. »Weiß jemand, wem die Fahrzeuge gehören?«
    »Weiß niemand«, stellte der Dienstälteste aus dem ersten Streifenwagen fest. »Ihr könnt ja mal eine Halterabfrage machen.«
    In diesem Moment näherten sich die Scheinwerfer eines Fahrzeugs. Es waren Linkohr und Kerstin. Der Golf parkte abseits des Rettungswagens auf der Freifläche zwischen Gebäude und dem seitlichen Begrenzungstor. Linkohr befürchtete zwar, dass er aus dem Schnee ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskam, aber es gab schließlich genügend Personen, die schieben oder das Auto abschleppen konnten.
    Er stellte sich und die junge Kollegin vor, obwohl viele seiner Worte im Heulen des Sturmes untergingen. Der Streifenbeamte, der bis jetzt die Koordination des Einsatzes übernommen hatte, schilderte, dass sich der Notarzt, zwei Rettungssanitäter und ein gewisser Dr. Humstett im Gebäude befänden, während ein Eindringling, dessen Namen er nicht wisse, in die Flucht geschlagen worden sei. Humstett, der ihn beschattet habe, sei hinter ihm über das Gerüst ins Haus gestiegen und offenbar im richtigen Augenblick in Erscheinung getreten, um Schlimmeres zu verhindern. »Er hat gesagt, es sei wohl ein Narkosemittel verwendet worden.«
    »Ein Narkosemittel«, wiederholte Linkohr und fügte leise hinzu, damit der Sturm die Worte verwehte: »Da haut’s dir’s Blech weg.«
    Wann kam eigentlich endlich das SEK?, fragte er sich.

72
    Häberle hatte auch noch das zweite Fläschchen Rotwein geöffnet und das Handy neben das Glas gelegt. Wäre er nicht so angespannt gewesen, hätte er den lauen Abend und den traumhaften Sternenhimmel genießen können. Doch seine Gedanken kreisten um den Einsatz, der einige Tausend Kilometer entfernt in der eisigen Kälte einer Winternacht ablief. Brunhilde Brugger saß vermutlich bereits in einer einsamen Zelle im Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch Gmünd. Die Frau Professorin im Knast. Häberle stellte sich vor, wie sich für eine Frau aus solch gesellschaftlichen Kreisen das Gefängnis anfühlte. Egal, was jemand angestellt hatte, es war allemal ein Schock. Denn welcher Täter rechnete schon damit, dass in seinem schönen Plan etwas schiefgehen konnte? Die Frau Brugger hatte an alles gedacht. Und alles schien so wunderbar genial eingefädelt zu sein – aber jeder Plan barg Risiken. Außerdem, so ließ Häberle seinen Gedanken freien Lauf, gab es Menschen, die bei der Verfolgung ihres Zieles derart verblendet waren, dass ihnen der Blick für die Realität verloren ging. Erst jüngst war der Fall eines jungen Mannes durch die Presse gegangen, der seine ganze Familie ausgelöscht hatte – zwei Schwestern und die Eltern. Er war der maßlosen Selbstüberschätzung unterlegen, den Ermittlern vorgaukeln zu können, die Tat müsse ein Unbekannter im Laufe der Nacht verübt haben. Derlei Plan entsprang nach Häberles Überzeugung nicht einmal einem drittklassigen Thriller oder einem schlechten Kriminalroman, sondern war wohl im Blutrausch stundenlanger Killerspiele am Computer ausgebrütet worden. Sie zu verbieten, wurde längst von allen ernstzunehmenden Fachleuten der Neurowissenschaft gefordert – doch die Politik wagte sich, warum auch immer, nicht mit dem nötigen Nachdruck an das Thema der gewaltverherrlichenden Darstellungen heran.Wie überhaupt manches in diesem Staate politisch nicht gewollt war, grübelte Häberle und blickte zu einigen Lichtpunkten am Meereshorizont hinaus. Wer wollte heutzutage denn wirklich Ordnung und Sauberkeit in der Stadt? Man war bereit, Sachbeschädigungen und Verschmutzung hinzunehmen – einer Liberalität wegen, die keine mehr sein würde, wenn die Mehrheit der anständigen Bevölkerung darunter litt. Aber wer Recht und Ordnung von allen einforderte, wurde sofort ins politische Abseits gedrängt – sowohl von den ideologisch Verbrämten als auch von den Medien. Dabei, so argumentierte Häberle stets, waren alle heute gültigen Gesetze unter demokratischen Voraussetzungen zustande gekommen. Warum
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