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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien
Autoren: Kathleen Weise
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haben, werden sie die Leiche fortschaffen. Wo keine Leiche ist, hat auch kein Verbrechen stattgefunden. Sie könnten immer noch behaupten, Eure Zofe wäre einfach fortgelaufen.«
    Bei dem Wort Leiche grub sich das Grauen in meine Haut und schnürte mir die Kehle zu. Er sprach über Manon, als wäre sie nur irgendein Körper, dabei war sie noch vor wenigen Stunden ein lebendes, atmendes Wesen gewesen. Meine Manon, die immer schimpfte und mir einmal fast das Ohrläppchen mit dem Brandeisen verletzt hätte.
    Ich schluckte, doch die Fessel um meinen Hals löste sich nicht.
    Der Hof schien mir der entsetzlichste Ort der Welt, eine Schlangengrube, aus der es kein Entrinnen gab. Ich erinnerte mich an Henris Worte, wie er mir mit brennendem Blick gesagt hatte, dass ich keine Ahnung davon habe, wie es am Hof wirklich zugehe. Und zum ersten Mal fragte ich mich, was er in dem Jahr, das er schon im Louvre lebte, wohl gesehen und welche Schlange ihn mit ihrem Biss vergiftet hatte.
    Der Gedanke an ihn erfasste mich wie eine Welle. War er gar beteiligt gewesen an dem Anschlag auf mich? Hatten wir uns wirklich so weit voneinander entfernt, dass er mitansehen konnte, wie mich irgendwer aus dem Weg räumte? Ich wollte es nicht glauben. Ein eiskalter Schauer überlief mich. War er deshalb an diesem Abend dem Essen ferngeblieben?
    Oder steckte vielleicht de Bassompierre dahinter? Das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten, hatte er ziemlich wütend ausgesehen. Ich erinnerte mich an seine Worte, dass es mir noch leidtun würde. Möglicherweise hatte die Königin gar nichts mit Manons Tod zu tun.
    »Der Marquis«, sagte ich und die Männer schauten mich gespannt an. »Er hat mir gedroht. Oder zumindest ... Ich weiß nicht ...«
    Der Narr und Condé wechselten nachdenkliche Blicke.
    Angoulevent nickte. »Ich werde mich darum kümmern.«
    »Ich muss mit Henri sprechen«, begann ich, aber Condé unterbrach mich.
    »Das würde ich nicht tun, Charlotte. Ihr wisst nicht ...«
    Ich hätte ihn gern angeschrien. Ihm gesagt, dass ich meinen Bruder besser kannte als er und dass, nur weil er jedem Menschen mit Misstrauen begegnete, ich das nicht auch tun musste. Aber die Worte blieben mir im Halse stecken.
    Was würde Großvater an meiner Stelle tun? Sollte ich bleiben und abwarten? Vater schreiben und seinen Rat abwarten? War es feige, den Louvre zu verlassen? Würde uns der König jemals verzeihen?
    »Alles hat sich geändert an dem Tag, an dem der König Euch mit mir verlobte«, sagte Condé und im Zwielicht des Kellers mit den zuckenden Schatten an den Wänden waren seine Worte wie Vorboten dunkler Ereignisse.
    Ich wollte nur noch fort von diesem Ort.
    Angoulevent winkte einen großen Mann herbei, der das gleiche rote Haar besaß wie die Köchin Annabelle und eine entfernte Ähnlichkeit mit ihr aufwies.
    »Morgen früh wird Georg seinen Wagen noch vor der Morgenandacht an den Tuilerien vorbeifahren und an der Küche halten. Er versorgt die Küche mit Brennholz. Es wird in großen Weidenkörben geliefert. Annabelle wird Euch in den Körben verstecken. Diese Körbe werden dann auf den Wagen geladen und Georg fährt Euch aus der Stadt hinaus. Am Saint-Lazare wechselt Ihr den Wagen und einer unserer Männer wird Euch nach Chantilly bringen.«
    Wann hatten sie das alles besprochen? Mir kam der Verdacht, dass der Narr und seine Leute mit einer solchen Wendung der Ereignisse gerechnet hatten.
    »Wieso wart Ihr in meinem Zimmer?« Ich musste wissen, warum es ausgerechnet Condé war, der mich geholt hatte.
    Einen Moment sah mich der Prinz nur an. Sein Blick brannte sich in meinen. Er zögerte, aber dann rang er sich zu einer Antwort durch. »Ich stand am Fenster.«
    Mehr musste er nicht sagen. Wie die Abende zuvor hatte er am Fenster auf mich gewartet. Er musste beobachtet haben, was mit Manon geschah.
    »Ich bin zu Euch geeilt, um zu verhindern, dass Ihr ...«
    »... dass ich sie berühre.«
    Condé nickte. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann schloss er den Mund wieder.
    War ich wirklich so blind gegenüber der Gefahr gewesen? Vielleicht wurde es Zeit, dass ich die Augen öffnete.
    »Trefft mich bei der Falknerei, das wird keinen Verdacht erwecken.«
    »Ich werde dort sein.« Meine Hände zitterten, aber es gab nun kein Zurück mehr. Angoulevent winkte zwei seiner Männer zu sich, die mich in meine Räume begleiten sollten.
    »Seid versichert, Charlotte, es wird Euch nichts geschehen. Alles wird sich finden.«
    Seine Worte konnten mich nicht
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