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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit
Autoren: P.B. RYAN
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aussehe, als würde der Fall noch einmal aufgenommen und Fiona von Schuld freigesprochen, hat sie versucht, Emily zum Sündenbock zu machen.“ Es war seltsam, ihn so zu Vera über sie selbst in der dritten Person sprechen zu hören, aber mutete nicht diese ganze Unterredung höchst bizarr an? „Sie ging sehr geschickt dabei vor, indem sie darauf beharrte, dass Emily den Mord unmöglich begangen haben könnte, uns die Umstände jedoch so schilderte, dass wir genau das Gegenteil glauben mussten.“
    â€žAndeutungen, Intrigen und Manipulationen“, erwiderte Vera lakonisch. „Seit jeher die Waffen machtloser Frauen.“
    Foster sagte: „Vielleicht sollte ich … äh … mal rüber in die Joy Street gehen, oder?“ Er meinte die Polizeiwache in der Joy Street.
    Nell schüttelte den Kopf. „Rathaus, Kriminalpolizei. Colin Cook wird um diese Zeit Dienst haben. Am besten holen Sie ihn.“
    â€žUnd jetzt?“, fragte Vera, nachdem Foster gegangen war. „Wird man mir Handschellen anlegen und mir eine Schlinge knüpfen? Welch ein unwürdiges Ende für Vera Pratt – das werden zumindest alle denken. Niemand dürfte auf den Gedanken kommen, dass tatsächlich das Mordopfer gehängt wird.“ Sie lachte laut auf. „Wahrlich eine absurde Komödie.“
    â€žIch bezweifle, dass man Sie hängen wird, Miss Pratt“, sagte Nell und sprach sie ganz bewusst mit ihrem richtigen Namen an, in der Hoffnung, sie doch noch aus ihrem Wahn reißen zu können. „Aller Wahrscheinlichkeit nach – vorausgesetzt, der Richter wird dem Fall gerecht – wird man Sie aufgrund geistiger Verwirrung für nicht schuldfähig befinden.“
    â€žAber ja, natürlich“, sinnierte Vera. „Sie werden mich alle für verrückt halten. Niemand wird glauben, dass wirklich ich es bin. Auch Sie glauben es mir ja nicht, und dabei reden Sie schon die ganze Zeit mit mir. Warum sollte es dann jemand anders glauben? Man wird einfach annehmen, dass die gute Vera verrückt geworden ist.“
    â€žWir werden bezeugen, dass wir dich in diesem Zustand gesehen haben, Tante Vera“, versicherte ihr Emily.
    â€žJa, das werden wir“, bestätigte ihr Will. „Außerdem sind Dr. Foster und ich ja beide Ärzte und mit dieser speziellen Form psychischer Anomalie vertraut. Wenn Sie … wenn Sie also wieder Vera sind und vor Gericht in Zweifel gezogen werden sollte, dass Sie jemals eine andere Persönlichkeit …“
    â€žWenn ich wieder Vera bin?“ Sie setzte sich kerzengerade auf und lachte ungläubig. „Was um alles in der Welt lässt dich bloß glauben, dass ich jemals wieder Vera sein wollte?
    â€žAber …“ Nell sah Hilfe suchend zu Will und Emily hinüber, die indes ebenso ratlos schienen wie sie selbst. „Ganz gewiss … irgendwann …“
    â€žWenn Sie ernstlich glauben, ich würde mich dieses Körpers entledigen – so armselig er auch ist, leider – und stattdessen lieber auf die andere Seite zurückkehren, dann sind Sie noch viel verrückter als ich es jemals sein werde! Oh nein. Ich bleibe, wo ich bin, und gehe nirgends hin. Wenn Vera das nicht passt, kann ich nur sagen, dass sie ja selbst dran Schuld hat.“
    Lächelnd ließ sie sich in das Kissen zurücksinken. „Nein, ganz im Ernst – warum sollte sie denn auch wollen, dass ich sie jemals wieder verlasse?“

EPILOG
    Juli 1869
    Roxbury, Massachusetts
    â€žIst das dort nicht Max Thurston?“, fragte Will, als er und Nell – Gracie hatte sich zwischen sie gekuschelt – in seinem Phaeton zum Eingang des Forest Hills Cemetery fuhren. Das Portal war ein majestätisch anmutendes, im gotischen Stil gehaltenes Bauwerk mit allerlei Bögen und Türmchen, das eher so aussah, als führe es zu einem mittelalterlichen Schloss, statt auf einen Friedhof, und sei er noch so nobel.
    An diesem sonnigen Freitagmorgen herrschte hier recht reges Treiben, war der weitläufige idyllische Park doch auch ein beliebtes Ausflugsziel, um spazieren zu gehen oder zu picknicken. Einer dieser Spaziergänger – ein äußerst adrett gekleideter Gentleman mit kleinem Kinnbart – trat soeben langsamen Schrittes und auf einen Stock gestützt zum Hauptportal hinaus.
    â€žMr. Thurston!“, rief Nell, derweil Will die Zügel um den Bremshebel schlang.
    Thurston schaute in
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