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Blutnetz

Blutnetz

Titel: Blutnetz
Autoren: Clive Cussler , Justin Scott
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hindurch, bis einer von ihnen zerbrach. Der Nachtwächter blieb sofort stehen. Er blickte in die Richtung, in der das Geräusch erklungen war. In diesem Augenblick beleuchtete der Mond beide Gesichter.
    Der Japaner sah ihn ganz deutlich - einen pensionierten Matrosen, einen alten Seebären, der seine armselige Rente mit einer Tätigkeit als Nachtwächter aufbesserte. Sein Gesicht war verwittert, die Augen trübe von den langen Jahren unter der tropischen Sonne, sein Rücken wirkte gebeugt. Er straffte sich beim Anblick der schlanken Gestalt, die sich in der Hecke versteckte. Plötzlich angespannt, war der Pensionär kein alter Mann mehr, der um Hilfe hätte rufen sollen, sondern er fühlte sich in seine Zeit als langgliedrige, breitschultrige »Blaujacke« in der Blüte ihres Lebens zurückgeworfen.
    Yamamoto Kenta schlängelte sich vollends durch die Hecke hindurch und rannte los. Der Nachtwächter stürzte sich in die Hecke, verhedderte sich darin und brüllte nun wie ein wilder Stier. Yamamoto Kenta hörte in der Ferne laute Rufe antworten. Er änderte seine Laufrichtung und sprintete an einer hohen Mauer entlang. Sie war errichtet worden, wie er während seiner Vorbereitungen auf diesen nächtlichen Ausflug gelesen hatte, nachdem Plünderer eingedrungen waren, als die Werft durch ein Hochwasser des Potomac überschwemmt worden war. Darum war sie auch zu hoch, um überklettert werden zu können.
    Schritte trommelten auf dem Kiesweg. Alte Männer verständigten sich durch laute Rufe. Elektrische Taschenlampen blinkten. Plötzlich sah er die Rettung vor sich: ein Baum, der dicht an der Mauer aufragte. Er krallte die Gummisohlen seiner Schuhe in die raue Borke des Baumstamms und kletterte bis zum untersten Ast, stieg noch zwei Aste höher und schwang sich auf die Mauerkrone. Da hörte er wildes Gebrüll hinter sich. Die Straße unter ihm war leer und verlassen. Er sprang von der Mauerkrone hinab und federte die harte Landung mit gebeugten Knien ab.
    Am Buzzard Point, unweit der Mündung der Ist Street, stieg Yamamoto Kenta in ein sechs Meter langes Motorboot, das von einer zwei PS starken Pierce-»Noiseless«-Maschine angetrieben wurde. Der Skipper lenkte das Boot in die Strömung und den Potomac hinunter. Dichter Flussnebel hüllte es wenig später ein, und Yamamoto Kenta atmete erleichtert auf.
    Während er sich zum Schutz vor der Kälte in die winzige Nische unter dem Bug kauerte, dachte er darüber nach, wie knapp er seinen Verfolgern entronnen war, und kam zu dem Schluss, dass er seiner Mission damit nicht geschadet hatte. Der Gartenweg war an der Stelle, wo ihn der Nachtwächter beinahe geschnappt hätte, mindestens eine halbe Meile von der Waffenfabrik entfernt. Auch war es nicht besonders schlimm, dass der alte Mann sein Gesicht gesehen hatte. Amerikaner hegten generell eine tiefe Abneigung gegen Asiaten. Nur wenige konnten zwischen chinesischen und japanischen Gesichtszügen unterscheiden. Da Einwanderer aus China weitaus zahlreicher vertreten waren als japanische, würde der Nachtwächter das Eindringen eines verhassten Chinesen höchstwahrscheinlich melden - Sicherlich eines Opiumsüchtigen, dachte er mit einem erleichterten Lächeln. Oder, sagte er sich lautlos kichernd, eines schändlichen Mädchenhändlers, der es auf die Töchter des Kommandanten abgesehen hatte.
    Fünf Meilen weiter flussabwärts in Alexandria, Virginia, ging er an Land.
    Er wartete, bis das Boot wieder vom Holzpier abgelegt hatte. Dann eilte er am Wasser entlang und betrat ein nicht erleuchtetes Lagerhaus, das mit ausrangiertem schiffstechnischem Gerät vollgestopft war, voller Staub und Spinnweben.
    Ein jüngerer Mann, dem Yamamoto Kenta verächtlich den Spitznamen Spion verpasst hatte, erwartete ihn in einem spärlich erleuchteten Hinterzimmer, das als Büro diente. Er war zwanzig Jahre jünger als Yamamoto Kenta und sah so durchschnittlich aus, dass er absolut unauffällig wirkte. Sein Büro enthielt ebenfalls veraltete Ausrüstungsgegenstände früherer Kriege: über Kreuz arrangierte Entermesser als Wandschmuck; eine gusseiserne Dahlgren-Vorderladerkanone aus dem Bürgerkrieg, unter deren Last sich der Fußboden durchbog, und hinter dem Schreibtisch einen alten Kohlefaden-Suchscheinwerfer von sechzig Zentimetern Durchmesser, wie er einst auf Kriegsschiffen zum Einsatz gekommen war. Yamamoto Kenta sah sein eigenes Gesicht als Spiegelbild in der verstaubten Sammellinse.
    Er meldete den erfolgreichen Abschluss seiner Mission. Dann,
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