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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht
Autoren: Jonathan Kellerman
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Idee wurde schnell ad acta gelegt, als sie mit Lees Manager redete.
    »Nee, damit ist Baby nicht reich geworden. Damit hat er nix verdient.« Der frühere Hüter von Lees Karriere war ein Frettchen im Jeansanzug mit toupiertem Haar und gebeugten Schultern namens Jackie True, der mit einem klinisch depressiven Murmeln sprach.
    »Warum nicht, Sir?«
    »Weil es Blödsinn war, eine Abzocke«, sagte True. »Diese Kids haben ihn damit rumgekriegt, dass sie ihm vorschwärmten, er wäre ihr Idol, Gottes Antwort auf was auch immer. Und jetzt raten Sie mal, was sie ihm gezahlt haben: den doppelten Tarif. Ich hab versucht, an einen Teil der Einnahmen ranzukommen, wenigstens netto, aber …«True atmete geräuschvoll aus und schüttelte den Kopf. »Ich hab nicht mal meine Prozente abgezogen. Baby brauchte jeden Penny.«
    »Das ist Pech«, sagte Petra.
    »Pech war Babys Leitmotiv.«
    Das Gespräch mit dem Manager fand in seiner verdreckten Wohnung in North Hollywood statt. Jackies Stiefel waren abgewetzt, und seine Nägel waren eingerissen. Was bekamen Manager – zehn, fünfzehn Prozent? Dieser hier machte auf sie nicht den Eindruck, als hätte er einen Stall voller Vollblüter. Würde Jackie nach Lees Abgang also weiterhin auf neues Schuhwerk und Maniküre verzichten müssen? Falls ja, konnte sie ein weiteres Motiv abhaken.
    Es bestand ohnehin keine Chance, dass Jackie True ihr Mann war. Einer Sache schien sich Linus Brophy sicher zu sein, nämlich dass der Mörder groß war, und True wäre nach einer Sitzung auf der Streckbank nicht größer als eins fünfundsechzig.
    Sie ging zum nächsten Namen auf ihrer Liste: der Tonmann, ein graduierter Student an der USC, der an dem Abend freiberuflich gearbeitet hatte und von Baby Boy kaum gehört hatte.
    »Wenn ich ehrlich sein soll«, sagte er, »das war wirklich nicht mein Ding. Ich stehe auf klassische Musik.«
    Petra stattete Baby Boys Wohnung am auf den Mord folgenden Nachmittag einen Besuch ab. Sie stellte sich als mindestens so trist heraus wie die von Jackie True, eine ebenerdige Wohneinheit in einem kastenförmigen weißen Apartmenthaus unweit der Cahuenga, auf halbem Weg zwischen Hollywood und dem Valley. Das Haus stand hinter einem von Zypressen gesäumten Parkplatz. Ölige Pfützen punktierten den Asphalt, und die Wagen der Bewohner waren wie Lees dreizehn Jahre alter Camaro müde und staubig.
    Angesichts von Lees Vorgeschichte hatte sie mit chaotischem Durcheinander, Schmutz, leeren Schnapsflaschen, Rauschgift, allem Möglichen gerechnet. Aber Baby Boy hatte ein sauberes Leben geführt, in jeder Hinsicht.
    Die Wohnung bestand aus Wohnzimmer, Kochnische, Schlafzimmer, Badezimmer. In gebrochenem Weiß gestrichene Wände, limonenfarbener Teppichboden, niedrige, rissige Decken, Lampen aus den Sechzigerjahren mit einem Hauch von Glitzer und Goldfarbe. Petra fing im hinteren Teil an und arbeitete sich nach vorne durch.
    Das Schlafzimmer roch nach altem Schweiß. Baby Boy hatte auf einer extra großen Matratze geschlafen, unter der ein Sprungfederrahmen direkt auf dem Boden lag. Lees Kleidung nahm die Hälfte des schäbigen Schranks ein: T-Shirts, Trainingsanzüge, Jeans, eine große schwarze Lederjacke, die so rissig war, dass sie aussah, als könnte sie sich jederzeit in ihre Bestandteile auflösen. In der Nachttischschublade befanden sich ein weitgehend leerer Terminkalender und einige fällige Stromrechnungen.
    Petra nahm den Kalender an sich und schaute sich weiter um. Nirgendwo Rauschgift oder Alkohol, und das stärkste Mittelchen, das sie im Badezimmer fand, war eine große Flasche Advil mit losem Deckel, was auf häufigen Gebrauch hinwies.
    Der avocadofarbene Kühlschrank enthielt Joghurt, Hüttenkäse, koffeinfreien Kaffee, fettfreien Mocha Mix, ein paar Pfirsiche und Pflaumen mit Druckstellen, Weintrauben, die allmählich verschrumpelten. Im Tiefkühler lagen eine Packung Hühnerbrüste ohne Haut und ein Dutzend Schachteln Lean Cuisine.
    Eine Schlankheitskur. Hatte versucht abzunehmen, der arme Kerl. Und jemand hatte ihn aufgeschlitzt wie einen Fisch.
    Im Wohnzimmer standen zwei Stühle mit gerader Rückenlehne, acht Gitarren auf Ständern und drei Verstärker. Oben auf einem Verstärker lag ein Stück von auffälliger Eleganz – eine bezaubernde kleine Cloisonné-Dose, schwarzes Email, verziert mit roten Drachen. Darin befand sich eine Reihe von Plektren.
    Und das war’s.
    Petras Handy klingelte. Der Mann an der Vermittlung im Revier informierte sie, dass Linus
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