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Blutmaske

Blutmaske

Titel: Blutmaske
Autoren: Markus Heitz
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still
wie auf einem Friedhof«, raunte er zurück. »Keine Vögel, keine
anderen Tiere. Ein Räuber ist unterwegs.«
    Pierre schluckte, aber die aufsteigende Angst schnürte ihm
die Kehle zu. Er wagte nicht, sich zu räuspern; stattdessen hob
er die Muskete und zielte dorthin, wo er das Knistern von Laub
vernommen hatte.
    Ein dicht gewachsener Strauch zitterte, seine Zweige raschelten
merkwürdig laut in der Stille des Waldes. Beinahe
hätte Pierre abgedrückt, ungeachtet der Tatsache, dass sich
Antoine irgendwo in dem Dickicht verbarg, um einen seiner
zweifelhaften Späße zu treiben. Die Furcht überlagerte den
Verstand.
    »Wagt es nicht, auf mich anzulegen«, sagte eine weibliche
Stimme gestreng aus dem Unterholz, »Denn ich bin gewiss
kein Räuber.« Eine Frau in schwarzem Ordensgewand trat
zwischen den Bäumen hervor; in ihrer linken Armbeuge baumelte
ein Korb mit Waldbeeren und Kräutern. Die dunkle Kleidung
gab nur den Blick auf ihr ansprechendes Gesicht von
etwa vierzig Jahren und auf die Hände frei, der Rest war sorgsam
verhüllt. Ihre graubraunen Augen waren auf die Gewehre
der Männer gerichtet. »Senkt eure Waffen, Messieurs! Es gibt
keinen Grund, mir zu drohen.«
    Pierre deutete schnell eine Verbeugung an, schwenkte mit
einem entschuldigenden Gesichtsausdruck die Mündung seiner
Waffe zur Seite und stellte sich vor. Sie nannte daraufhin
ihren Namen: »Ich bin Äbtissin Gregoria vom Kloster des
heiligen Gregorius von Tours.«
    »Kein Räuber, aber ein Seelenfänger.« Jean betrachtete die
schlanke Nonne verächtlich. »Seid Ihr nicht ein wenig weit
von Eurem Kloster entfernt? Das Vivarais ist derzeit keine Gegend
für Unbewaffnete.«
    »Ich besitze Beistand, der besser als jede Muskete ist. Der
Herr ist mein Hirte, er beschützt mich auf meinen Wegen«, gab
sie lächelnd zurück – und erschrak, als sie an dem Jäger vorbei
auf die Kreatur am Boden blickte. Die Farbe wich aus
ihrem Gesicht, und sie bekreuzigte sich.
    »Ja, schaut nur. Der Teufel sendet neue Wölfe, um die Schafe
des Herrn zu verschlingen«, sagte Jean. »Meint Ihr, dass Gott
Euch vor den Zähnen dieses hungrigen Tiers bewahrt hätte?«
Pierre räusperte sich. »Verzeiht meinem Vater seine Worte
und habt keine Furcht, ehrwürdige Äbtissin. Dieser Wolf tut
Euch nichts mehr.«
    »Weil wir ihn gefangen haben. Nicht Gott«, fügte Jean
hinzu.
    »Aber mit Gottes Hilfe, guter Mann.« Gregoria trat zur Verwunderung
der beiden Männer näher an den Kadaver heran,
besah ihn von allen Seiten, bekreuzigte sich erneut und küsste
das Kreuz des silbernen, sehr aufwändig gearbeiteten Rosenkranzes,
der um ihren Hals über der Ordenstracht hing. »Ein
seltsames Tier«, meinte sie dann leise. »Es ist gut, dass Ihr es
gefangen habt. Es hat viel Leid über die Menschen in der
Umgebung gebracht, wie ich hörte.«
    »Wie manche Priester.« Jean kümmerte sich nicht weiter um
die Äbtissin, die in ihrem schwarzen Habit wie ein Fremdkörper
in dem grünen, lebendigen Wald wirkte. Er fand es
zwar merkwürdig, dass sie sich so weit von den Mauern ihres
Klosters entfernt hatte, um nach Kräutern und Erdbeeren zu
suchen – aber er hatte Wichtigeres zu tun.
    »Was auch immer man Euch angetan hat, ich war es nicht.
Es gibt keinen Grund, mich feindselig zu behandeln.«
    Jean wollte etwas darauf erwidern, aber Gregoria sprach
einfach weiter. »Ich werde Euch nicht weiter mit meiner
Anwesenheit belästigen. Da Ihr Euch offensichtlich von Gott
und seiner heiligen Kirche abgewandt habt, werde ich für Euer
Seelenheil beten, auf dass Ihr auf den Pfad des Herrn zurückkehrt.«
    »Gut bemerkt! Ich habe nichts mit der Kirche und Gott zu
schaffen. Um mein Seelenheil kümmere ich mich selbst und
überlasse es keinesfalls scheinheiligen Priestern und gierigen
Pfaffen!« Auch wenn das kleine Benediktinerinnen-Kloster
bei den einfachen Menschen einen guten Ruf hatte und sich,
wie man hörte, um Arme und Verwirrte kümmerte, gab es für
ihn keinen Grund, die Äbtissin anders als alle anderen Klerikalen
zu behandeln. Ihre überhebliche und selbstgefällige Art
verärgerte ihn.
    Sie lächelte Pierre freundlich an, der sich wiederum verbeugte.
»Der Segen des Herrn sei allezeit mit Euch. Gebt dennoch
gut auf Euch Acht, junger Mann, damit die Wölfe Euch
nicht holen. Solltet Ihr beten wollen, die Kapelle von Saint
Grégoire steht Euch jederzeit offen.« Sie nickte ihm zu und
ging. »Guten Tag, Messieurs.«
    »Zum Teufel mit den Nonnen«, fluchte Jean leise und wandte
sich dem
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