Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Autoren: Charlotte Kern
Vom Netzwerk:
Uropa Heinz geerbt hatte, türmten sich die Hefte mit den letzten Aufsätzen vor den Sommerferien. Aber das blaue Ledersofa unter der Dachschräge hatte ein Vermögen gekostet.
    »Möchtest du dich zu Leander legen?«, fragte Sybille, die gerade mit einer dampfenden Kanne Rotbuschtee hereinkam. Sie setzte sie auf ein brennendes Stövchen und zündete auf dem Beistelltisch eine Kerze an. Wie schnell sich die Prioritäten änderten. Noch vor einer halben Stunde wäre Leonie mehr nach Eiskaffee zumute gewesen. Jetzt fröstelte sie in ihrer verschwitzten Bluse. »Nein danke. Aber hättest du vielleicht eine Decke?«
    »Wo hast du die Brezeln? Im Netz am Buggy?«
    Leonie nickte und überließ sich der wohligen Schwere, die in ihr aufgestiegen war. Müde, so müde. Sie schloss die Augen, wickelte sich in die warme Fliesdecke, die Sybille ihr gegeben hatte, und dämmerte weg. Als sie erwachte, zogen sich blaue Streifen durchs Wolkenmeer. Träge stand sie auf, streckte sich und schaute nach Leander, der auf Sybilles Bett lag und mit den Beinen strampelte. »Hallo«, sagte sie träge und hob ihn an ihre Schulter.
    »Mam.« Er griff zielbewusst nach ihrer Nase.
    Sybille, die zwischendurch an ihren Aufsatzkorrekturen gearbeitet hatte, legte den Kugelschreiber beiseite. »Ihr habt fast eine Stunde geschlafen.« Sie schüttelte den Kopf und klappte das Heft zu, das sie gerade gelesen hatte. »Gedichtinterpretation, 9. Klasse. Was die für einen Mist schreiben. Leander, komm zu mir!«
    Leonie setzte ihn auf den Boden, und er krabbelte behände auf seine Tante zu, die ihn auf den Schoß hob. Leander und die Aufsatzhefte. Ob das so eine gute Idee war? Leonie holte sich eine Brezel, biss hinein und brach ein Stück für den Kleinen ab.
    »Hast du dich eigentlich in Stuttgart beworben oder nicht?« Mit einer Hand hielt Sybille ihren Neffen davon ab, in Richtung Schreibtisch zu grapschen. Mit der anderen ordnete sie die Hefte zu einem rechtwinkligen Stapel, vom hellblonden Bob bis zu den Spitzen ihrer rosa Puschelsandalen perfekt.
    »Ja«, brummte Leonie widerwillig. »Und ich hab nächsten Montag ein Vorstellungsgespräch.«
    Sybilles Drehstuhl drehte sich rasant nach vorn. »Aber das ist ja toll.«
    »Sie suchen am Institut für Kunstgeschichte eine Assistenz für ein Projekt über italienische Kunst des Barock.«
    »Und deine Promotion könntest du da auch beenden?«
    Leonie nickte widerwillig. »Aber ganz so einfach ist das nicht. Die Stelle geht ab dem 1. September, zwanzig Stunden die Woche, so dass ich für Leander einen Krippenplatz brauche.« Es zerriss ihr fast das Herz, auch nur darüber nachzudenken, ihn tagsüber so lange allein zu lassen.
    »Trotzdem, du solltest es wagen! Hast du etwas zum Anziehen? Und zum Friseur musst du auch noch!«
    »Immer langsam«, sagte Leonie und goss Rotbuschtee in zwei Becher. »Sei nicht so unentschlossen!«, sagte Sybille. »Das ist deine Gelegenheit. Meinetwegen bleib halt bei Papa wohnen. Dann können wir drei ja Leander immer mal übernehmen. Und Tante Gundel macht den Rest.«
    Leonie schüttelte den Kopf. »Nein, ich brauche eine regelmäßige Betreuung, weil ich vielleicht auch abends Seminare geben muss.«
    »Trotzdem, Leonie. Du solltest deine Begabung nicht verschleudern. Das kommt wie gerufen.«
    Sie seufzte. Natürlich hatte Sybille recht, aber eigentlich war sie noch nicht so weit. Alle beide waren sie noch nicht so weit. In diesem Moment klingelte das Telefon.
    »Oh, hoffentlich nicht einer meiner Schüler, oder – noch schlimmer – ein aufgebrachtes Elternteil.« Sybille stand auf, drückte Leonie ihren Sohn auf den Schoß und verließ das Zimmer. Im Nebenraum war es lange still.
    Dann sagte Sybille mit ernster Stimme. »Ja, natürlich. Ich komme sofort.«
    Oje, das klang nach einem Notfall. Ein paar Sekunden später stand ihre Schwester in der Tür, weiß im Gesicht, das Telefon in der Hand.
    »Das war Frau Deringer.« Ihre Augen flackerten. »Sie ist überfallen und ins Klinikum eingeliefert worden. Sie klang ziemlich aufgelöst.«
    »Was?«
    »Ich muss zu ihr und ein paar Toilettensachen und Kleider zum Wechseln mitbringen. Bei der Gelegenheit kann ich dich gleich nach Hause fahren.«
    »Aber wo ist das denn passiert? Ich hab sie doch im Bus noch gesehen.«
    »Auf der Neckarhalde, in den Obstwiesen.«

    Eine knappe halbe Stunde später saßen die Schwestern im Foyer der Klinik und warteten, dass Sybilles Vermieterin aus der zentralen Notaufnahme auf die chirurgische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher