Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Freitag

Blutiger Freitag

Titel: Blutiger Freitag
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
strömte die Masse der Menschen hektisch nach unten. Eine voll bepackte Einkaufstüte traf ihn mitten in die Magengrube. Krampfhaft hielt er sich am Geländer fest und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Mit aller Kraft versuchte er, sich durch die Traube von Menschen zu pressen. Zum Glück besaß er den Körperbau eines Schwimmers: breite, durchtrainierte Schultern, schlanke Taille, lange Beine und eine Kraft, die er sich durch hartes körperliches Training erworben hatte. Aber das hier war unmöglich, so als versuchte er, gegen eine mächtige Strömung zu schwimmen, und als drängte die reißende Flutwelle ihn immer wieder zurück.
    Ein Typ in Parka und mit der Figur eines Footballspielers stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen und schrie ihn an, er solle gefälligst aus dem Weg gehen. Ein Mädchen kreischte dicht an seinem Ohr und klammerte sich krampfhaft an das Geländer, sodass Patrick nicht an ihr vorbeikam.
    Die dritte Explosion war noch lauter, die Erschütterung schien fast die Stufen der Rolltreppe aus der Halterung zu reißen. Patrick gab auf. Er drehte sich wieder um und ließ sich von der Menschenflut mitreißen.
    Aber sobald er unten ankam, stürzte er zur Rolltreppe nach oben, froh, dass diese fast leer war. Er raste die sich aufwärts bewegenden Stufen hoch. Inzwischen konnte er Schwefel und Rauch riechen, aber er lief unbeirrt weiter. Vielleicht machte sich inzwischen tatsächlich seine Ausbildung bemerkbar, ließ ihn agieren, ohne dass er sich dessen bewusst wurde. Es wäre nicht das erste Mal, dass er seinem Instinkt folgte. Normalerweise konnte er darauf vertrauen. Obwohl er sich in letzter Zeit nicht mehr ganz so sicher war.
    Letztes Jahr hatte er seine Studienrichtung und damit seine ganze Zukunft geändert. Nicht unbedingt der beste Einfall, wenn man kurz vor dem Abschluss stand. Und ein teurer Spaß für einen Studenten, der nebenbei arbeitete und jeden Dollar zweimal umdrehen musste.
    Was als Hobby begonnen hatte, war inzwischen zur Leidenschaft geworden. Dank eines Vaters, den er nie kennengelernt hatte. Aber Patrick wusste, dass es nicht die Kurse in Brandschutzmanagement waren, die ihn jetzt dem Rauch entgegenrennen ließen. Auch nicht die ehrenamtlichen Stunden bei der Feuerwehr, obwohl Feuerwehrleute lernten, sich in ein brennendes Haus vorzukämpfen, während alle anderen es panisch verließen.
    Doch dieser innere Zwang, der ihn jetzt direkt auf die Quelle der Explosion zutrieb, hatte nichts mit seiner Ausbildung zu tun, sondern mit Rebecca. Er hatte sich im zweiten Stock in der Cafeteria von ihr getrennt, genau dort, wo die Detonation stattgefunden haben musste. Er konnte das Gebäude nicht ohne sie verlassen. Er musste sich vergewissern, dass es ihr gut ging. Wie oft hatte sie sich um ihn gekümmert? Nachgesehen, ob bei ihm alles in Ordnung war. All die vielen Nächte, in denen sie bei Champs gejobbt hatten.
    „Du siehst nicht gut aus“, hatte sie zwischen dem Aufnehmen von Bestellungen und dem Servieren gesagt. Und am Ende ihrer Schicht, wenn alles sauber gemacht war und sie beide reif fürs Bett waren, hatte sie sich abwartend auf einen Barhocker gesetzt. „Und jetzt erzähl mir mal, was los ist.“ Dann hatte sie ruhig dagesessen und zugehört, richtig zugehört, den Blick intensiv und mitfühlend auf ihn gerichtet. Niemand hatte ihm jemals so gut zugehört.
    Patrick spürte jetzt den Sprühregen der Sprinkleranlage, aber der Rauch brannte trotzdem in den Augen. Hastig setzte er die Sonnenbrille auf und zog sich den Kragen seines T-Shirts über die Nase. Wann immer es möglich war, lief er dicht an die Wand gedrückt weiter. Ließ die hysterische Menge an sich vorbeistürzen. Arbeitete sich Stück für Stück vor, langsam, während er die durch seine Sonnenbrille grau getönte Szene vor sich genau inspizierte. Er achtete darauf, nicht über den Schutt von der Explosion oder fallen gelassene Einkaufstaschen der Flüchtenden zu stolpern. Beim Anblick der Taschen fielen ihm plötzlich die roten Rucksäcke ein.
    Er hatte von Anfang an ein komisches Gefühl bei der Sache gehabt. Dixon Lee hatte zwar behauptet, dass all das nur ein harmloser Streich war. Und vielleicht stimmte das sogar. An sich war ja nichts Gefährliches dabei, mit ein paar drahtlosen Störsendern das Computersystem des Einkaufszentrums lahmzulegen. Aber allem Geschwafel von Dixon zum Trotz hatte Patrick sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass irgendwas nicht stimmte. Er hätte auf seinen Instinkt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher