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Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)

Titel: Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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an. Mollys Schreie, die mit jedem meiner Schritte lauter wurden, führten mich ans Ziel.
    Sophie hatte ihre Tochter wirklich gut versteckt. Sie lag in ihrem Körbchen unter einem Giebelfenster, durch das helles Mondlicht fiel. Im Schloss der Tür steckte ein Schlüssel, und mit einem Mal bekam ich besser Luft. Weil sich das dicke Holz der Tür ganz sicher nicht so leicht eintreten ließ.
    Mollys laute Schreie waren in ein dumpfes Wimmern übergegangen – vielleicht hatte sie begriffen, dass sie jetzt nicht mehr alleine war. Als ich in das Körbchen fasste, streckte sie die Hand nach einem meiner Finger aus und ließ ihn nicht mehr los.
    Mit einem Mal gingen die Lichter wieder an. Erst war es so hell, dass ich völlig geblendet war, doch nachdem ich wieder etwas sehen konnte, nahm ich Mollys Blinzeln und die unzähligen Kisten und Kartons sowie alten Möbel in dem Zimmer wahr. Sophie hatte den Korb mit ihrer Tochter in der Rumpelkammer abgestellt.
    Ich suchte immer noch nach einer Waffe, aber als ich in den ersten Kasten griff und etwas Weiches spürte, schlug ich überrascht den Deckel auf. Lange weiße Federn kitzelten die Innenfläche meiner Hand und während eines Augenblicks wurde ich schreckensstarr. Schließlich aber öffnete ich auch den zweiten Schuhkarton, aus dem ein ruhiger, sanftmütiger Engel mir entgegensah. Kingsmith hatte Dutzende von Engelkarten in den winzigen Karton gestopft, und ich atmete tief durch. Er war einfach unglaublich arrogant – er hatte nicht einmal versucht, die Requisiten seiner Überfälle zu verstecken, sondern sie die ganze Zeit bei sich zu Hause aufbewahrt.
    Ich hörte, wie er sich der Kammer näherte, sah, dass er den Türknauf drehte, und mein Herzschlag setzte aus. Er wusste, dass ich hier bei Molly war.
    Er brauchte einfach nur auf das Schloss zu zielen, doch aus irgendeinem Grund ging er noch einmal weg.
    Wenig später fing ich an zu würgen, als der beißende Gestank von Paraffin mir in die Nase stieg. Deshalb also wanderte der Kerl von Raum zu Raum. Er wollte ein reinigendes Feuer legen, wie bei seinem Überfall auf seinen zweiten Mann. Wollte all die Toten hier im Haus und die Gegenstände, die er an den Tatorten zurückgelassen hatte, von der Glut verzehren lassen, denn dann wären die Beweise seiner Schuld getilgt. Das Haus wäre ein Flammenmeer, bis die Feuerwehr erschien, und er stünde unbeschadet vor der Tür und gäbe sich als Opfer aus. Dann könnte er sich eine neue Welt aufbauen, in der er abermals der König war.
    Ich atmete tief durch. Wenn ich jetzt nichts unternahm, würde ich wie Henrik Freiberg enden, als menschlicher Kohlenklumpen, von dem niemand wüsste, wer er mal gewesen war.
    Der Weg über die Hintertreppe kam nicht in Frage. Denn der Bastard würde mich erschießen, kaum dass ich auf der obersten Stufe stand. Ich rüttelte am Fenster, aber es war abgesperrt, und als ich durch die Scheibe spähte, sah ich, dass ein Sprung der reinste Selbstmord war. Bis zum Dach des Wintergartens waren es fast sieben Meter, doch ich hatte keine andere Möglichkeit. Ich müsste Molly auf den Arm nehmen und springen, während Kingsmith noch damit beschäftigt war, das Paraffin über die Möbelstücke zu verteilen.
    Ich griff nach einem Stuhl, schwang ihn in Richtung Scheibe, und mit einem lauten Knall zersprang das Glas. Vielleicht hatte ich ja Glück und kam unverletzt dort unten an.
    Das Baby hatte sich anscheinend in den Schlaf geweint, denn es gab keinen Laut von sich, als ich es aus seinem Körbchen nahm. Ich schnappte mir die Decke und das Kissen, die noch darin lagen, wickelte die Kleine darin ein und drückte das warme, weiche Päckchen eng an meine Brust. Dann fegte ich die Scherben mit der flachen Hand vom Fenstersims, und der zunehmende Paraffingestank machte mir deutlich, dass ich nur noch eine Chance hatte, wenn ich wirklich sprang.
    Bald ging das Haus in Flammen auf, und ich hatte keine Zeit mehr, um darauf zu warten, dass mir vielleicht doch noch irgendwer zu Hilfe kam. Selbst wenn die Polizei die Vordertür aufbrach, würde Kingsmith sie erschießen, und ich stand abermals alleine da.
    Ein Chirurg hatte mir mal erzählt, wie Menschen Stürze überlebten. Nach seinen Worten war es am besten, wenn man vollkommen entspannt aufkam. Denn ein angespannter Körper schlug entsprechend härter auf dem Boden auf, und dadurch stieg das Risiko von Brüchen merklich an.
    Ich hielt Molly fest umklammert, schwang mich durch das Loch und starrte in die Tiefe.
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